Zürich/gc. Hans Erni wird von der Gesellschaft Schweiz-Russland für seine Verdienste zur Völkerverständigung geehrt. Der 101jährige Künstler hatte 1945 ein Plakat für die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion gestaltet. Dafür wurde er zum Landesverräter erklärt und eine von Hans Erni gestaltete Schweizer Banknotenserie zurückgezogen und eingestampft.
Der 101jährige ist zum Glück „noch jung und munter“Die Ehrung von Hans Erni erfolgte 65 Jahre nach dem denkwürdigen Verbot seines Plakates für die schweizerisch-sowjetischen Beziehungen. Zum Glück sei er noch jung und munter, scherzte der 101 Jahre alte Künstler vor der Preisverleihung im Hans-Erni-Museum in Luzern.
Unter den 100 Gästen an der Ehrung von Hans Erni waren Luzerns Regierungspräsident Anton Schwingruber und Stadtpräsident Urs W. Studer, der Kunstsammler und Russland-Reisende Léonard Gianadda sowie Vladimir Shatilov, Gesandter der Föderalagentur für Angelegenheiten der GUS, für Fragen der im Ausland lebenden Mitbürger und für internationale humanitäre Zusammenarbeit im Aussenministerium der Russischen Föderation Rossotrudnitschestwo.
Hans Erni war ein Utopist – aber kein ParteisoldatHans Erni war Sympathisant des Schweizerischen Friedensrates und der Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion, wie viele Intellektuelle in den 1940er Jahren. Wie die meisten dieser Sympathisanten sei Erni aber nie ein kommunistischer Parteisoldat gewesen, erklärte der Historiker Georg Kreis in seiner Laudatio (Die vollständige Laudatio ist im Originalbeitrag verlinkt).
Als 1945 die Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion eine Petition zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit der Sowjetunion organisierte, gestaltete Hans Erni ein Plakat dazu: Auf einer stilisierten Europakarte zeigte er die große Sowjetunion und die kleine Schweiz. Darunter verbinden sich ein dickes und ein dünnes Tau zu einem Knoten.
Das verbotene Plakat von Hans Erni: Diese harmlose Darstellung und der Text „Wir erstreben freundschaftliche und vertrauensvolle Beziehungen zwischen unserm Lande und der Sowjetunion“ waren den Schweizer Behörden zuviel. Der Bundesrat verbot das Plakat und Inserate wegen „Propaganda für eine kriegsführende Macht“. „Was ist denn an diesem verbotenen Plakat zu beanstanden – außer dem Verbot?“, schrieb die Basler National-Zeitung und sprach von einer „kleinlichen, ans Schikanöse grenzenden Polizeimaßnahme, die durch nichts gerechtfertigt ist.“ Die Berner Tagwacht bezeichnete den Entscheid gar als „völlig abwegig und unhaltbar, von einem unmöglichen Gehirn ausgeklügelt.“ Allen behördlichen Verboten zum Trotz sammelten mehrere Tausend Mitglieder der Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion in 20 Tagen rund 120.000 Unterschriften für die Petition. Diese nötigte die Schweizer Regierung am 18. März 1946 dazu, „mit der Regierung der Sowjetunion freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten.“
Die Konsequenzen musste Hans Erni lange tragenFür die Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion war es ein unerwarteter Erfolg, für Hans Erni der Beginn einer langen Leidensgeschichte: Er wurde zum Landesverräter erklärt, eine von ihm gestaltete Schweizer Banknotenserie wurde zurückgezogen und eingestampft. Die Schweizer Kunstmuseen boykottierten Hans Erni drei Jahrzehnte.
In den späten 1960er Jahren war es dann umgekehrt: Die Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion hatte im Kalten Krieg ihre Bedeutung verloren, Hans Erni erhielt endlich von den Schweizer Behörden die verdiente Anerkennung. Er durfte wieder Briefmarken für die Schweizer Post gestalten und erhielt andere öffentliche Aufträge.
Die Gesellschaft Schweiz-RusslandAls sich die Sowjetunion 1991 auflöste, war von der Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion nur ein kleines Grüppchen übrig. Kommunisten war die Kulturorganisation zu wenig politisch, progressive Intellektuelle und Bürgerliche wollten sich im Kalten Krieg die Finger nicht verbrennen. Die Nachfolgeorganisation Gesellschaft Schweiz-Russland organisierte zwei Jahrzehnte lang viele Kulturveranstaltungen, blieb aber unbeachtet.
Nach einer Reorganisation ist die Gesellschaft Schweiz-Russland seit April 2010 neu die Dachorganisation aller schweizerisch-russischen Organisationen, vom Kindergarten über die verschiedenen Kulturvereine bis zu Wirtschaftsorganisationen. In diesen sind die 13.000 russischen Muttersprachler in der Schweiz organisiert – sowie eine große Anzahl interessierter Schweizer.
Co-Präsidenten der Gesellschaft Schweiz-Russland sind seit dem 17. April 2010 die russische Sprachlehrerin Marianna Polischuk und der schweizerische Journalist Jürg Vollmer.
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