Trier/gc/pm. Die Benediktinerabtei Trier – St. Matthias besaß im Mittelalter eine Bibliothek von herausragendem Wert. Zu den Beständen gehörten neben der „Trierer Apokalypse“ zahlreiche Werke Hildegards von Bingen, Texte zur Literatur der Antike sowie zur Rechtskunde und Medizin. Kostbare Bibelausgaben, liturgische Werke und Schulhandschriften runden den Befund ab. Auch die älteste heute in Trier liegende Handschrift des Mittelalters, ein Kodex aus dem Jahre 719, stammt aus St. Matthias. Stadtbibliothek und Universität Trier arbeiten nun gemeinsam daran, die Handschriften aus St. Matthias zu digitalisieren. Bedingt durch die Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es zur Auflösung und Zerstreuung der Bestände, die heute auf 25 Standorte verteilt sind. Eine Katalogisierung der Sammlung durch den Ordenshistoriker Pater Petrus Becker im Jahre 1996 führte zu dem Ergebnis, dass etwa 412 Handschriften weltweit überlebt haben, glücklicherweise die weitaus meisten in Trier. So beherbergen die Stadtbibliothek und die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars bedeutende Handschriften aus St. Matthias. Andere Bestände hat es nach Gent, Edinburgh, Wien und sogar New York verschlagen.
Durch eine Gemeinschaftsaktion der Stadtbibliothek und der Universität Trier ist es nun möglich, den kompletten Bestand der Handschriften aus St. Matthias zu digitalisieren. Unter dem Dach des „Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums“ (HKFZ) haben die Stadtbibliothek und das Fach Ältere deutsche Philologie einen Antrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gestellt, der jüngst bewilligt wurde. Die Leitung des Projekts liegt auf Seiten der Universität bei Prof. Dr. Claudine Moulin und Dr. Andrea Rapp, auf Seiten der Stadtbibliothek bei Prof. Dr. Michael Embach. Die Universitätsbibliothek wiederum hat die Langzeitarchivierung der Daten zugesagt.
Zwei Wissenschaftler und drei Hilfskräfte werden für die Dauer von 18 Monaten die Bestände digitalisieren, sie mit den vorhandenen Katalogaufnahmen verknüpfen und entsprechende Suchfunktionen schaffen. In einem weiteren Schritt werden die Digitalisate in die Datenbank ‚Manuscripta mediaevalia’ eingespeist und damit über das Netz verfügbar gemacht.
Die Einsicht, dass historisches Kulturgut gesichert werden muss, setzt sich immer mehr durch. Nicht nur die katastrophalen Verluste im Historischen
Archiv der Stadt Köln sind hierfür verantwortlich. Schutz der Originale durch Verwendung hochwertiger Kopien, bessere Verfügbarkeit der Texte und Bilder im Netz sowie eine Intensivierung der Forschung durch einen multidisziplinären Zugriff, all dies sind Aspekte von Gewicht. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass eine ehemals geschlossene Sammlung durch die Digitalisierung virtuell wieder zusammengeführt werden kann. Auf diese Weise entsteht eine Vorstellung von der alten Klosterbibliothek, so wie sie ursprünglich war. Damit erschließt sich der geistige Horizont eines bedeutenden Bildungszentrums des Mittelalters.
Um die anspruchsvolle Maßnahme zu realisieren, müssen modernste Technik, komplexe Erschließungsverfahren und das Wissen um die Bedeutung historischer Überlieferung zusammenkommen. So kann das Pro-jekt „Virtuelles Skriptorium St. Matthias“ exemplarisch zeigen, welche Chancen die heutige Informations- und Mediengesellschaft bietet, um Zukunftstechnologie und kulturelles Erbe sinnvoll miteinander zu verbinden.
Bildunterschrift:Die Abbildung stammt aus der Handschrift 1108/55 4° der Stadtbibliothek Trier. Es handelt sich um eine illustrierte Ausgabe der Fabeln des Äsop und des Avian aus dem späten 14. Jahrhundert. Bild: Universität Trier
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