Startseite Home Suche Fotos Archiv Service Leserpost Redaktion Impressum Autoren Newsletter German-Circle

NACHRICHTEN ( 1 )

NEWS ARTIKEL
  | einen Leserbrief schreiben | diesen Artikel versenden | ... zurück
Russland Leben Reportage
Kalt, grau, schön
Im sibirischen Barnaul ist alles etwas anders
Redaktion: Constanze Jantsch
Eingestellt am  28.09.2010 Aktualitätsende 07.10.2010
Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt. Nachnutzungen, Verwertungen, Kopien (auch auszugsweise) dürfen nur mit dem Einverständnis der Autoren oder des Seitenbetreibers veröffentlicht werden.
Barnaul/gc. Es ist Freitag, der 3. September 2010, 7 Uhr, 6 Grad über Null im sibirischen Barnaul. Statt vom Mann meiner Chefin – wie konnte es auch anders sein – werde ich von einem seiner Kollegen abgeholt. Die Chefin entschuldigt sich später tausendmal, aber ich bin an so was bereits gewöhnt. Einer kommt immer! Es ist das erste Mal, dass ich über ein Rollfeld gelaufen bin, weil unsere Maschine die einzige weit und breit ist.

Es geht vom westlich gelegenen Flughäfchen in die Innenstadt. Der Wagen fährt eine Abkürzung, die mich fragen lässt, ob das überhaupt eine normale Straße sei? Fahrer Alexander lacht laut und erklärt, dieser Weg diene dazu, den Stau zu umgehen.

Barnaul ist die Hauptstadt der russischen Region Altai, liegt vielleicht 500 Kilometer südlich von Novosibirsk im Süden Westsibiriens. Durch die Stadt verläuft der westsibirische Hauptfluss Ob.

In der Innenstadt treffen wir schließlich meine Chefin. Sie zeigte mir meine Wohnung. Sie hat sie durch Freunde vermittelt bekommen, die zurzeit in Kasachstan wohnen und ich hoffe, die kommen nicht so schnell zurück, so dass ich hier schön lange wohnen kann. Das Quartier liegt in der russischen 4. Etage in der Leninstraße. In Russland zählt man die Etagen ab ganz unten, wo der Eingang ist und es noch gar keine Wohnung gibt. Ich wohne damit also in der dritten (deutschen) Etage.

Meine Bleibe hat ein gemütliches Badezimmer mit Waschmaschine und Badewanne. Es gibt ein riesiges Wohnzimmer mit einer Couch, die für eine Großfamilie reicht. Ein kleiner Kochbereich mit elektrischem Gasherd, Kühlschrank und Gefrierer sowie ein ausziehbarer Tisch sind auch vorhanden. Die Fensterbänke sind so breit, dass man durchaus darauf Platz nehmen kann. Es gibt einen Balkon und ein großes Schlafzimmer. Die Wohnung ist renoviert, es gibt ausreichend dicke Haustüren und moderne Fenster.

Was bei russischen Renovierungen immer übrig bleibt, sind die Kabel, die sowohl in der Wohnung als auch über jedem Balkon und im Hausflur hängen ...  Der Hausflur hat diesen tollen außergewöhnlichen Farbanstrich, die Briefkästen fallen auseinander. Wichtige Post werde ich wohl besser zu meinen Kollegen oder ins Büro schicken lassen. Auf einem der Briefkästen entdeckte ich zwei benutzte Spritzen. Außerdem riecht es leicht nach Urin. Trotzdem, die Wohnung ist meine Insel der Erholung. Links vor dem Haus gibt es den angeblich besten Fischladen der Stadt, rechts vom Haus ein Mjasnoy magasin, einen Fleischer. Der Supermarkt ist auch nicht weit, ebenso wie ein Haushaltswarenladen und das Sushi für den kleinen Hunger.

Noch am Freitag erkunde ich zu Fuß den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstelle und entdecke zwei Jugendliche, die mit Päckchen mit weißem Pulver hantieren. Für Stoff ist also gesorgt. Von der Wohnung zur Arbeit dauert’s mit der Tram 10 bis 15 Minuten. Ein Ticket kostet 9 Rubel, zurzeit sind das zirka 25 Euro-Cent. Während man in Moskau an Automaten oder beim Fahrer das Ticket kaufen kann, geht hier in Barnaul der Verkäufer durch die Reihen. An einigen der Busse entdeckte ich oberhalb der Windschutzscheibe den Aufdruck SCHULBUS. Die örtliche Verwaltung hat wohl mal in Deutschland eingekauft.

Ich teile mir mit zwei Kollegen ein Büro, die dritte Kollegin sitzt nebenan. Da wir an die Uni angebunden sind, gibt es regen Betrieb im Gebäude. Ein Nebenaspekt ist, dass die Toiletten dazu einladen, möglichst lange jede Atmung zu vermeiden. Puh …  Außerdem gibt es eine kleine Kantine, in der ich mich wieder an russisches Essen gewöhnen werde.

Mein erster Samstag hier gestaltete sich nach langem Schlafen sonnig und freundlich. Draußen treffe ich Alexej. Er studiert hier an der Universität Literatur und Deutsch und hat alle meine Vorgänger kennengelernt, ist hier aufgewachsen und kennt nicht nur jede Ecke, sondern auch jeden, der dort wohnt.

Barnaul feierte am Wochenende 280jähriges Bestehen. Die halbe ist Stadt auf den Beinen. Obwohl kein Alkohol in den Supermärkten verkauft wird, sind trotzdem alle blau. Gemeinsam mit zwei Deutschen, die in den Genuss des kostenlosen Traktes des Wohnheims gekommen sind, laufe ich mehrere Stunden durch die Straßen. Höhepunkt ist sicherlich der Aussichtspunkt mit Blick über die Stadt und direkt auf den Ob. Wunderschön. Noch sind deutlich über 20 Grad und ich hoffe, noch einen Dampferausflug vor dem Kälteeinbruch zu machen. Barnaul ist nicht außergewöhnlich schön. Es gibt tolle alte Holzhäuser in miserablem Zustand, moderne Bauten und graue Plätze. Alles Russisch, aber, hey, ich mag es! Die Menschen verdienen hier eher Respekt als Mitleid, dass sie sich das antun und nicht einfach die Koffer packen und nach Moskau verschwinden. Im Wohnheim nehmen wir ein kleines Abendbrot ein. Kleine, schwarze Krabbeltiere gesellen sich zu uns. Das „Komnata Gigeny“ scheint mir eher Keimzelle als Ort Stille zu sein.

Es ist Montag, auf dem Weg nach Hause mache ich einen Abstecher ins Buchgeschäft. Dabei muss ich an Obst und Gemüse verkaufenden Babushkas vorbei. Ich beobachtete, wie eine mit einem Löffel ihren Kapustasalat aus dem Eimer zu sich nimmt, aus dem sie ihn auch verkauft. Die Leute hier sind längst nicht so gestresst und „wichtig“ wie in Moskau. Alles ist recht provinziell, aber nicht unangenehm. Sie antworten sogar, wenn man sie mit Sätzen voller grammatischer Fehler belästigt und sie lächeln auch ab und zu.

Deutlich zu spüren ist, dass der Geldbeutel nicht so belastet wird wie beispielsweise  in Moskau. Dem Gefühl nach sind die Lebensmittel in Barnaul mindestens um die Hälfte günstiger als dort. Natürlich verdienen die Leute viel weniger als in größeren Städten. Ich  gehöre mit meiner deutschen Bezahlung hier zu den Bessergestellten. Ein sehr eigenartiges Gefühl.

Constanze Jantsch air jordan 6 retro pas cher , longchamp pliage pas cher , louboutin pas cher , louboutin sale , nike tn pas cher , air max pas cher , nike air force one pas cher , nike free pas cher , nike air max bw pas cher
Constanze_Jantsch(at)web.de
_______________________________________________

Auf http://www.german-circle.de können Sie kostenlos für 9 Tage fremde oder eigene Nachrichten veröffentlichen lassen. Mailen Sie Ihre Texte und Bilder einfach an die Redaktion - redaktion@german-circle.de . Achten Sie bitte darauf, dass Ihre Bilder und Nachrichten frei von Rechten Dritter sind.
Vielen Dank!
Die Redaktion

  | einen Leserbrief schreiben | diesen Artikel versenden | ... zurück