Kampf gegen den EU-Führerschein-Tourismus Verwaltungsgerichte stärken die Hamburger Linie Hamburg/gc/pm. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Beschluss vom 6.4.2006 (Sache „Halbritter“) ent-schieden, dass die EU-Staaten EU-Führerscheine gegenseitig anerkennen müssen, auch wenn sie Zweifel an der Fahreignung des Führerscheininhabers haben – und sogar in der Vergangenheit we-gen Alkohol- oder Drogendelikten eine Sperrfrist verhängt worden war. Der EuGH hat seine Rechtsauslegung allerdings nur auf den Einzelfall, das so genannte „Halbritter-Verfahren“, bezogen – im Beschluss wird dieser Einzelfallbezug mit den Worten „(Rechtsauslegung nur) unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens“ bezeichnet. Gleichwohl haben einige Bundesländer – anders als Hamburg – daraus weitreichende Konsequenzen gezogen, von denen Alkohol- und Drogensünder profitieren können. Innensenator Udo Nagel hat bereits Ende Juni 2006 entschieden, dass Hamburg diesem Weg nicht folgt. Der Senator dazu: „Aus unserer Sicht ist die EuGH-Entscheidung keine pauschale Entscheidung, die dem Führerschein-Tourismus Tür und Tor öffnet. Daher wenden wir sie nicht auf Fälle an, in denen das EU-Führerscheinrecht missbraucht werden soll.“ Hamburg stand mit dieser Linie zunächst allein da. Meh-rere Gerichte, zuletzt das OVG Thüringen am 29.6.2006 (Az. 2 EO 240/06) stärken aber inzwischen die Richtigkeit dieser Sichtweise. Innensenator Udo Nagel: „Ich freue mich, dass unsere Ansicht von immer mehr Gerichten in Deutschland bestätigt wird. Diese Entwicklung ist ein Erfolg für die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen. Ich setze mich für alles ein, was die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen erhöht. Ich kämpfe deswegen auch gegen die Taktik von Alkohol- und Drogensündern, die das EU-Führerscheinrecht missbrauchen wollen und dadurch die Sicherheit der Menschen im Straßenverkehr gefährden.“ Weitere Beschlüsse, die die Hamburger Linie stärken: Verwaltungsgericht Münster vom 26.6.2006 (Az. 10 L 361/06); zwei Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 7.6.2006 (Az. 2 K 1377/05) und vom 3.8.2006 (Az. 2 K 1093/05). Wie versuchen Alkohol- und Drogensünder das EU-Führerscheinrecht zu missbrauchen? Viele Alkohol- und Drogensünder, die in Deutschland nach Entzug der Fahrerlaubnis keinen neuen Führerschein bekommen, weil ihre Alkohol- und Drogenprobleme nicht bewältigt sind, sie also keine „positive“ Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) schaffen, versuchen auf Länder wie Tschechien oder Polen auszuweichen. Sie erwerben dort einen neuen Führerschein, ohne in diesen Ländern jemals ihren Wohnsitz gehabt zu haben und ohne dass dort geprüft worden wäre, ob sie ihre Alkohol- und Drogenprobleme so weit bewältigt haben, dass diese Menschen keine Gefahr mehr für die Verkehrssicherheit darstellen. Sie berufen sich dann in Deutschland darauf, dass Deutschland nach EU-Führerscheinrecht die Führerscheine anderer EU-Staaten vorbehaltlos anerkennen müsse. Sie versuchen dadurch, die in Deutschland vorgeschriebene Eignungsuntersuchung zu umgehen. Worum ging es im Verfahren „Halbritter“? Bei dem Verfahren „Halbritter“, das der Entscheidung des EuGH zugrunde lag, handelte es sich nicht um einen solchen Fall des Missbrauchs von EU-Recht. Daher kann aus Hamburger Sicht diese Ein-zelfall- Entscheidung kein Freibrief für eine pauschale Anerkennung aller EU-Führerscheine in allen Fällen sein. Der Kläger hatte in der Vergangenheit wegen Drogenproblemen seinen deutschen Füh-rerschein verloren und war dann aus beruflichen Gründen in das EU-Ausland (Österreich) gezogen. Dort hatte er nach Ablauf seiner Sperrfrist und nach einer dort vorgeschriebenen medizinischen und psychologischen Untersuchung einen österreichischen EU-Führerschein erworben. Nachdem er wie-der nach Deutschland gezogen war, wollte die örtlich zuständige Fahrerlaubnisbehörde diesen Füh-rerschein nicht anerkennen, weil der Kläger sich nicht der in Deutschland vorgeschriebenen MPU unterzogen hatte. Dies erklärte der EuGH für unzulässig und traf bei dieser Gelegenheit einige Fest-stellungen über die Verpflichtung der EU-Staaten, EU-Führerscheine gegenseitig anzuerkennen. Durch diese allgemeinen Ausführungen des Gerichts fühlten sich mehrere Bundesländer veranlasst, ihre Verfahren zu ändern. Nach Führerscheinentzug wegen Alkohol- oder Drogenproblemen erken-nen sie im EU-Ausland nach abgelaufener Sperrfrist erworbene EU-Führerscheine jetzt an, auch wenn in Deutschland keine MPU bewältigt wurde. Diese Auslegung des EuGH-Beschlusses hält Hamburg für zu weitgehend und unter Ver-kehrssicherheitsaspekten nicht für vertretbar. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist miss-bräuchliche Berufung auf EU-Recht nicht zulässig. Die Verpflichtung, EU-Führerscheine aus dem EU-Ausland anzuerkennen, besteht also nicht in den Fällen, in denen sie missbräuchlich erworben wurden, um hier in Deutschland die MPU zu umgehen. Quelle: Pressemitteilung / www.innenbehoerde.hamburg.de |