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Russland Leben Reportage
Kommt ein deutscher Körper mit -38 Grad Celsius zurecht?
Leben in Moskau
Der Alltag in der russischen Hauptstadt ist kräftezehrend
Redaktion: Constanze Jantsch
Eingestellt am  17.05.2009 Aktualitätsende 18.05.2009
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Moskau/gc. Nachdem ich die freien Tage nach meiner Weisheitszahnoperation Ende Dezember 2008 zur Genesung genutzt habe, ist nun auch der Januar in gewohnter Moskauer Manier an mir vorbeigezogen. Nun ja, vielleicht ist „gewohntes Tempo“ zu viel des Guten, denn man hat hier den Winterschlaf ausgeschrieben, der sich bis Ende Februar halten soll.

Die langen Feiertage haben der Meute ihren Rest gegeben, und so kümmert jeder an seinem Arbeitsplatz vor sich hin – welch’ eine Freude, dies zu sehen! Es herrschen angenehme minus 12 Grad, mal ein bisschen mehr, mal weniger, jeder fröstelt sich so durch die Gegend und ich freue mich in meiner dicken Winterkleidung über diese fantastische Kälte.

Was ist diesen Monat passiert? Anfang Januar war ich bei einem Moskauer Ski-Event. Neben der Universität wurde eine zirka 60 Meter lange Rampe aufgebaut. Diverse Weltklassefahrer lieferten sich dort in Ausscheidungsläufen packende Duelle. Und am Ende ... Gewinnen immer die Deutschen. Felix Neureuther siegte im Finale gegen seinen französischen Mitstreiter. Anschließend ging es fuer die Sportler noch mit Putin zum Dinner, ehe es mit im Privatflieger nach Sotchi ging – zum gemeinsamen Skifahren. Diese ganze Veranstaltung, der angeblich 25.000 Leute beiwohnten, diente als Werbemaßnahme, um den alpinen Skisport für die Winterspiele 2014 noch etwas populärer zu machen.

Dann war ich in der Nacht zum 7. Januar, also am kirchlichen Weihnachten, das erste Mal auf der Datscha. Ein russischer Freund hatte mich mitgenommen zu seinen Freunden. Draußen bei eisigem Wind wurde Schaschlik gemacht (mein Fleischbedarf ist insofern erstmal wieder gedeckt), drinnen wurde gegessen, musiziert und getrunken. Auch wenn mir die Gesichter fremd waren, habe ich mich gleich sehr wohlgefühlt. Man kommt dorthin, wird einander vorgestellt, 20 oder 30 Leute quasseln durcheinander, aber das Wichtigste ist, dass du dir ein Plätzchen suchst und dich an den russischen Köstlichkeiten labst.

Außerdem habe ich zum ersten Mal aus einem echten russischen Samowar Tee getrunken, das ist sozusagen ein Wasserkocher (da gibt es eine Stadt, die dafür bekannt ist,  Tula). Einen modernen Samowar steckt man an der Steckdose an, doch den, den ich meine, das ist ein 150 Jahre altes Gerät, welches an den Kamin „angeschlossen“ wird. Diese Zeremonie hat mich beeindruckt, und auch der Geschmack des Tees ist eindeutig ein anderer.

Ja, es wurde viel gefeiert. Ich war bei einer Umzugsparty, war mit angeblich Erwachsenen rodeln – sowohl tagsüber als auch nachts um halb eins - es war großartig; man stelle sich einfach einen Zweimetermann vor - zwischen lauter kleinen Kindern und lauter Erwachsenen, die die Welt nicht mehr verstehen, weil sich Gleichaltrige einen Spaß erlauben.

Ein guter Freund lud mich Mitte des Monats zum Schlittschuhlaufen ein. Das kann man für tierisch viel Geld am Roten Platz erleben, aber auch in den zahlreichen Parks der Stadt, die mit ihren zugefrorenen Teichen gute Möglichkeiten bieten. Und so wurde mir ein Teich, der nicht ganz die Größe eines Fußballfeldes hat, gezeigt, der inmitten von alten, aber renovierten Altbauten steht. Es war mahlerisch und sehr entspannend, nach so langer Zeit mal wieder Schlittschuh zu laufen, zumal zu abendlicher Stunde (und wochentags) nicht so viel Betrieb war. Mit meiner Freundin Anne, die bei einer Zeitung praktiziert, war ich bei meinem ersten Basketballspiel.

Mein Schüler aus der Ölfirma hatte uns seine zwei Dauerkarten überlassen – auch noch für das Spitzen-Derby Dynamo versus ZSKA. Es war hochspannend und sehr beeindruckend - das Gequietsche der Schuhe auf dem Hallenboden einmal live zu erleben. Sportlich ging es dann auch gleich weiter, denn ich durfte für die »Moskauer Deutsche Zeitung« - http://www.mdz-moskau.eu  - vom Topspiel im Eishockey, ebenfalls Dynamo gegen ZSKA, berichten. Die Halle, die fast 9.000 Zuschauer fasst, war nahezu ausverkauft - und es war das erste Mal überhaupt, dass sich so viele Menschen in das Stadion verirrten. Das Spiel war grandios, man hat gemerkt, dass sich dort zwei Top-Mannschaften gegenüberstehen. Am Ende gewann Dynamo in der Overtime, so was wie Verlängerung, verdient mit 2:1.

Viel stolzer war ich jedoch ob der Tatsache, dass ich es alleine geschafft hatte, mich für dieses Spiel zu akkreditieren. Es kostet viel Überwindung, sich ans Telefon zu hängen mit dem Wissen, dass man kaum versteht und schlecht spricht. Aber Probieren geht über Studieren. Mitte der letzten Januarwoche war ich mit zwei Kolleginnen der »Moskauer Deutsche Zeitung« bei einem Orgelkonzert. Das tat ganz gut, um sich mal etwas zu besinnen, wobei mir das Stillsitzen ja nicht so leicht fällt. Die Kirche war sehr imposant, vor allen Dingen war es der Stil, der imponierte, denn ich war schon lange nicht mehr in einer römisch-katholischen Kirche.

Selten habe ich mich so über Backsteine gefreut, die ich schon vor dem Eingang des Hofes erblickte. Ebenso stolz war ich auch als ich es geschafft hatte, mit dem Drachen am Ticketverkauf den Studentenpreis zu auszuhandeln (ich hatte keinen Ausweis dabei). Wohnungstechnisch gibt es erstmal eine Zwischenlösung: Ich ziehe für zwei Wochen (vielleicht auch vier) in die Wohnung (ebenso grüne Linie im Norden) eines Freundes und wohne alleine, bevor sich dann für die kommenden Monate eine andere Lösung findet, die dann vielleicht auch von längerer Dauer ist. Umziehen könnte man glatt zu meinen neuen Hobbys zählen.

Aus diesem Text liest sich viel Buntes, trotz allem ist das Leben in dieser Stadt wahnsinnig anstrengend und kräftezehrend. Ich probiere jedoch, das Leben nicht aus den Augen zu verlieren und weiterhin allerhand Aktivitäten nachzugehen. Diese Woche sollen es bis zu minus 38 Grad werden, nach Aussage meiner Schüler. Ich bin schon gespannt, wie kalt das ist? Gewarnt wurde ich schon vor ausgiebigen Spaziergängen, denn mein deutscher Körper sei das nicht gewohnt, und außerdem soll ich aufpassen, dass mir das Gesicht nicht pellt!

Kontakt:
Constanze Jantsch
Constanze_Jantsch(at)web.de
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