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Russland Kultur Bericht
In zwei Heimaten ein fremder Autor
Andrei Kurkow
Ewiger Reisender zwischen den Welten
Redaktion: Jürg Vollmer / maiak.info
Eingestellt am  21.01.2011 Aktualitätsende 30.01.2011
Sie dürfen diesen Text mit Nennung des Autors und von maiak.info honorarfrei vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen.
Zürich/gc. Andrei Kurkow beschreibt seit seinem Erstling „Picknick auf dem Eis“ die postsowjetische Gesellschaft. Damals stellte Kurkow seinem Anti-Helden einen Pinguin zur Seite, als Analogie für die kollektiven Sowjetmenschen „in einem neuen Land“. Andrei Kurkow selbst ist genau das Gegenteil: ein ewiger Reisender zwischen den Welten.

Statt Diplomat wurde Andrei Kurkow Gefängniswärter
Andrei Kurkow sitzt vor der nächsten Lesung in einem Kaffeehaus und gibt sich für einmal diplomatisch. Nein, zum ständigen Bäumchen-wechsle-dich der Politiker in seinem Heimatland Ukraine möchte er sich nicht mehr äußern: „Es ist schon zu viel geredet worden und es wird zu wenig getan.“

Tatsächlich wollte Andrei Kurkow als Diplomat die Welt kennen lernen. Deshalb studierte er am Kiewer Fremdspracheninstitut Englisch und Französisch. Obwohl er noch fünf weitere Sprachen lernte, darunter Japanisch, wurde Kurkow mangels Beziehungen nicht in den diplomatischen Dienst der Sowjetunion aufgenommen. Stattdessen musste er Militärdienst leisten – ausgerechnet als Gefängniswärter in der Strafkolonie Nr. 51 in  Odessa.

Chronist der postsowjetischen Gesellschaft
„Es soll keiner behaupten, Militärdienst sei unproduktiv“, schmunzelt Andrei Kurkow, „immerhin habe ich während meiner zweijährigen Dienstzeit fünf Kinderbücher geschrieben.“ Produktiv war er danach auch als Journalist, bis ihn sein Chefredakteur wegen eines Plagiats entliess. Postsowjetische Logik, dass nicht etwa der Chefredakteur ein Plagiat von Kurkow aufgedeckt hatte, sondern umgekehrt.

Postsowjetisch, weil nach Kurkows 30. Geburtstag die  UdSSR auseinander brach. „Ich lernte rasch, dass sich meine aus den Fugen geratene Welt ohne Phantasie weder aushalten, noch beschreiben lässt.“ Deshalb wollte der künftige Schriftsteller Andrei Kurkow seinen Lesern einen Spiegel vor das Gesicht halten, in dem er die postsowjetische Gesellschaft mit Zynismus und schwarzem Humor zeigte. „Wenn ich kein Zyniker wäre, müsste ich Quartalssäufer werden oder Selbstmord begehen.“

Der Drehbuchautor prägte den Romanautoren
„Als Schriftsteller waren die Jahre nach 1991 ein gefundenes Fressen für mich – mit dem Nachteil, dass ich dabei glatt verhungert wäre.“ So stemmte Andrei Kurkow drei Jobs nebeneinander: Er schrieb seinen ersten Roman, verdiente sein Brot als Journalist und absolvierte gleichzeitig eine Ausbildung als Kameramann und Drehbuchautor in den renommierten  Dowschenko-Filmstudios in Kiew.

Die Ausbildung zum Drehbuchautor prägte den Romanautoren: Andrei Kurkow schrieb einen spannenden Krimi mit knappen Dialogen, er wechselte mit schnellen Schnitten Zeit und Ort, und er hatte keine Angst vor einer guten Action-Szene.

„Picknick auf dem Eis“
1996 veröffentlichte Andrei Kurkow seinen Erstling „Picknick auf dem Eis“, der in Russland und in der Ukraine auf Anhieb ein Bestseller wurde. Noch im Erscheinungsjahr wurde der Roman nach einem Drehbuch verfilmt, das er logischerweise gleich selbst schrieb.

„Picknick auf dem Eis“ beschreibt die ukrainische Gesellschaft in der Ära unter Präsident  Leonid Kutschma aus der Sicht eines erfolglosen Journalisten. Viktor lebt in Kiew und schreibt im Auftrag einer Zeitung  Nekrologe auf berühmte Persönlichkeiten „für die Schublade“. Als diese Prominenten plötzlich serienmäßig sterben, gerät Viktor in Verdacht und muss fliehen.

Andrei Kurkow über Pinguine und Sowjetmenschen
Seinem Anti-Helden stellte Andrei Kurkow einen Pinguin zur Seite, als Analogie zum postsowjetischen Menschen. „Pinguine unternehmen als Kollektiv-Tiere alles gemeinsam. Deshalb ist ein Pinguin, wenn er alleine in ein neues Land kommt, völlig desorientiert. Dasselbe geschah nach 1991 mit den Sowjetmenschen.“

Diese standen über Nacht „in einem neuen Land“, in dem sie aus eigener Initiative eine Zivilgesellschaft, eine Marktwirtschaft und eine neue Politik schaffen sollten. Das konnte unmöglich auf Anhieb gelingen mit Sowjetmenschen, die gelernt hatten, so wenig individuelle Verantwortung wie möglich zu übernehmen und wie Pinguine im Zoo auf die Fütterung zu warten.

Die postsowjetischen Länder sind eine experimentelle Zone
Andrei Kurkow erkannte und beschrieb dies schon in seinem ersten hoch politischen Roman. Er ließ sich aber weder von den prowestlichen „Orangen“ noch von prorussischen „Blauen“ vor deren Propaganda-Karren spannen. Dafür musste er später auch nicht zurück buchstabieren, wie einige seiner ukrainischen Schriftsteller-Kollegen, die sich von Politikern täuschen ließen.

Auch heute ergreift Kurkow nicht Partei. Dafür kritisiert er pointiert, dass alle ukrainischen Politiker unabhängig vom Volk in einem Parallel-Universum regieren. „Die Ukraine funktionierte nach 1991 immer dann am besten, wenn wir keine Regierung hatten. Das wird sich nicht ändern, bis wir eine völlig neue Generation von Politikern finden.“

Dann lehnt sich Andrei Kurkow zurück, denkt nach, und plaziert einen Stich mitten ins Herz: „Die postsowjetischen Länder sind aus irgendwelchen höheren Gründen eine experimentelle Zone, an deren Schicksal andere Nationen sehen können, was alles passiert, wenn man der Idiotie freien Lauf lässt.“

Der russische Schriftsteller in der Ukraine

Andrei Kurkow lässt sich von Niemandem vereinnahmen. Die Frage nach dem Warum führt uns in das Dorf Budugoschtsch im  Oblast Leningrad, wo Kurkow 1961 geboren wurde. Sein Vater war Testpilot und Andrei lernte früh, die Koffer zu packen. So kam die Familie Kurkow auch nach Kiew. Man blieb in der Sowjetunion und im russischen Sprachraum. Eto normalno.

Nach 1991 war Andrei Kurkow in der Ukraine aber plötzlich „der Russe“ und man gab ihm wenig diplomatisch zu verstehen, dass er jetzt eigentlich „nach Hause“ gehen könne. Kurkow ging innerlich auf Distanz, blieb aber in Kiew. Denn ironischerweise war er mit seiner  südlichen Varietät des  Russischen auch in Russland ein „fremder Autor“.

Weder in der Ukraine noch in Russland zu Hause heiratete Kurkow die britische Staatsbürgerin Elizabeth Sharpe, konvertierte von der  Russisch-Orthodoxen Kirche zum Protestantismus und zog mit Sack und Pack nach London. Er fand aber auch dort keine Heimat, kehrte mit seiner Familie in die Ukraine zurück und pendelt heute zwischen London und Kiew.

Ewiger Reisender zwischen den Welten

Im Roman „Petrowitsch“ griff Andrei Kurkow die Thematik des ewigen Reisenden auf und ließ den Geschichtslehrer Kolja rund um die Welt nach einem verschollenen Manuskript des ukrainischen Nationaldichters  Taras Schewtschenko suchen. Nach vielen Abenteuern findet Kolja zwar nicht das Gesuchte, dafür „erfährt“ er unterwegs im wahrsten Sinne des Wortes die ukrainische Identität.

Kolja könnte Kurkow sein – und vice versa:
„Ich dachte, dass mir dieses endlose Epos eigentlich sehr gefiel. Ich wollte sogar, dass es wirklich nie zu Ende ging. Dass die Welt, in der wir uns jetzt befinden, die wir bereisten, schon eher einem fiktiven als realen Ziel folgend, meine Welt bliebe, schön, rauh und irgendwie auch grausam.“

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Andrei Kurkow - ukrainischer Schriftsteller russischer Herkunft, der in russischer Sprache arbeitet. Foto: Jürg Vollmer / maiak.info

Den Originalbeitrag mit weiteren interessanten Verlinkungen lesen Sie hier: http://www.maiak.info/andrei-kurkow-schriftsteller-ukraine-russland

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