Gera/gc. Die Kunstsammlung Gera präsentiert vom 20. März bis zum 22. Mai 2011 zwei neue Sonderausstellungen.

Unter dem Titel „Die Sammlung Behrens-Weise. Kunst des 19. Jahrhunderts aus einer Geraer Privatsammlung“ gewährt sie erstmalig einen fast vollständigen Überblick über den Bestand an Kunstgegenständen der Behrens-Weise-Stiftung.

Zu sehen sind 28 Gemälde, 6 Zeichnungen und Aquarelle, 100 Druckgrafiken, zehn Porzellane und eine Plastik. Gleichzeitig wird die Ausstellung der Berliner Künstlerin Simone Haak unter dem Titel „Simone Haack. Zwielicht“ im Mittelpavillon der Orangerie eröffnet. Simone Haak wurde durch eine Jury als Artist-in-Residence-Künstlerin des Jahres 2010 ausgewählt und weilte im Rahmen ihrer viermonatigen Residenzzeit im Herbst 2010 in der Otto-Dix-Stadt Gera.

„Seit nahezu 30 Jahren waren die Werke der Sammlung Behrens-Weise ständig in die Ausstellungen der Kunstsammlung Gera einbezogen und stellen einen bedeutenden Sammlungsbestand zur Kunst des 19. Jahrhunderts dar“, so der Leiter der Kunstsammlung Gera Holger Saupe.

„Die Werke stammen aus einer der wenigen noch vorhandenen privaten Kunstsammlungen in Gera und verdeutlichen eine charakteristische Sammlungsposition eines aufstrebenden Bürgertums um die Jahrhundertwende.“ Angelegt wurde die Sammlung Behrens-Weise von Hans Wilhelm Behrens. Der 1879 in Braunschweig geborene Kaufmannssohn kam 1903 in die Ostthüringer Industriestadt Gera und betätigte sich erfolgreich als Unternehmer im hiesigen Kohlenhandel. Als Firmeninhaber der Mitteldeutschen Kohlenhandelsgesellschaft hatte er darüber hinaus noch weiterreichende Geschäftsbeziehungen. Sein besonderes Engagement galt der 1901 eröffneten Schmalspurbahn nach Meuselwitz. Unter seiner Federführung gründete sich 1920 der Interessenverband zur Übernahme der „Gera-Meuselwitz-Wuitzer Eisenbahn Aktiengesellschaft“. Behrens wurde einer ihrer Hauptaktionäre.

Über die Entstehung der Sammlung war bislang wenig bekannt. Die Sammlung an Gemälden, Druckgrafiken, Zeichnungen, Aquarellen und Porzellanen wurde im Inventar seines letzten Wohnaufenthaltes in der Villa Waldstraße 112 bereits sorgsam verzeichnet. Die Forschungen zur Kunst- und Stadtgeschichte haben gezeigt, dass in der Region nur wenige Kunstsammler und Sammlungen existierten, die ein eigenes Sammlungsprofil aufzuweisen hatten und deren Konvolute darüber hinaus auch als charaktervolle Kunstsammlung einzuordnen wären. Die Sammlungsintension war jenseits der Klassischen Moderne angesiedelt und richtete sich vordringlich auf die Kunst des 19. Jahrhunderts mit den Schwerpunkten Düsseldorfer und Münchner Malerschule.

Exemplarisch dafür stehen die Werke der Münchner und Düsseldorfer Malerschulen. Mit Franz von Defregger, Eduard von Grützner, Hugo Kauffmann, Franz von Lenbach und Carl Spitzweg sind die bekannten Künstler der Münchner Schule vertreten. Andreas und Oswald Achenbach, Jakob Fürchtegott Dielmann und Benjamin Vautier sind beispielgebend für die Düsseldorfer Akademie und ihren zum Realismus tendierenden Bestrebungen. Daneben erscheint in Gemälden von Carlo Bransaccio, Hugo Paul Harrer und A. L. Terni das Motiv südlicher Landschaften als immer währendes Sehnsuchtsziel. „Die Kunstgegenstände der Sammlung Behrens-Weise bilden in ihrer Gesamtheit einen bedeutenden Werkbestand der 19. und frühen 20. Jahrhunderts für die Kunstsammlung Gera. Es ist die einzig erhaltene bürgerliche Kunstsammlung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Gera“, berichtet Saupe.

Hans Wilhelm Behrens starb 1938 in Gera. Sein beachtliches Vermögen einschließlich der Kunstsammlung vererbte er der 1894 in Untermhaus bei Gera geborenen Kontoristin Anna Weise, die daraufhin auch seine wirtschaftliche Unternehmung fortführte. Zusammen mit ihrer Mutter verließ Anna Weise im April 1953 das Gebiet der damaligen DDR. Somit fiel ihr gesamter Besitz unter die „Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten“ vom 17.7.1952, wurde beschlagnahmt und in Volkseigentum überführt. Die Sammlung von Gemälden und Porzellanen wurde 1953 an das Museum der Stadt Gera übergeben und befindet sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der Kunstsammlung Gera bzw. dem Stadtmuseum Gera. Im Jahr 2010 wurden alle Gegenstände im Rahmen eines Restitutionsverfahrens an den rechtmäßigen Eigentümer, der in München ansässigen Behrens-Weise-Stiftung, zurückübertragen.

Anna Weise lebte im bayerischen Dießen am Ammersee, Riederau, und begründete die Behrens-Weise-Stiftung, die sie nach ihrem Tod im Jahre 1984 zur Alleinerbin ihres Vermögens bestimmte. Zweck der bei der Max-Planck-Gesellschaft e.V. angesiedelten Stiftung ist die Förderung und Unterstützung von Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Biologie, Genetik und Medizin sowie die Förderung des Austauschs zwischen deutschen und ausländischen Wissenschaftlern. „Für die umfangreichen Recherchearbeiten zu den Biografien der Namensgeber der Behrens-Weise-Stiftung danken wir besonders dem Stadtarchiv Gera, ebenso dem Thüringer Staatsarchiv Greiz, den Stadtarchiven in Braunschweig und Zürich“, bedankt sich Holger Saupe.

Die Sonderausstellung „Simone Haack. Zwielicht“ im Mittelpavillon der Geraer Orangerie zeigt Arbeiten aus dem Schaffen der Berliner Künstlerin aus den vergangenen drei Jahren, darunter 11 Gemälde und vier Zeichnungen. Es sind stille und auf den ersten Blick eigenartig vertraute, aber gleichsam rätselhafte Bilder mit menschlichen Figuren, Gestalten oder nackten Körpern, die Simone Haack in diffusen Innenräumen, Landschaften oder fiktiven Situationen ansiedelt. Dabei beherrschen die teils in extremen Ausschnitten, ungewöhnlichen Perspektiven und Körperhaltungen gezeigten Figuren den Bildraum, den sie durch eine bisweilen ins Monumentale gesteigerte körperliche Präsenz sogar zu sprengen scheinen. Dennoch vermitteln sie vielmehr unterschwellig ein Gefühl von Einsamkeit, Verschlossenheit und Verletzlichkeit.

Das zentrale künstlerische Thema der 1978 im niedersächsischen Rotenburg/Wümme geborenen Simone Haack, die von 1997 bis 2003 Freie Kunst an der Hochschule für Künste in Bremen und anschließend als Meisterschülerin bei Karin Kneffel studierte, ist im weitesten Sinne die physische und psychische Existenz des Menschen und dessen vielschichtige Verstrickung in Träume, Ängste und Vorstellungen. „Simone Haack wurde durch eine Jury als Artist-in-Residence-Künstlerin des Jahres 2010 ausgewählt und weilte im Rahmen ihrer viermonatigen Residenzzeit im Herbst 2010 in der Otto-Dix-Stadt Gera“, berichtet Holger Saupe.

„Anliegen dieses Künstlerprogramms, das dank der großzügigen finanziellen Unterstützung der Geraer Bank eG ermöglicht wurde, ist es, einerseits jungen künstlerischen Positionen einen für die eigene Arbeit nutzbaren Studien- und Arbeitsaufenthalt in der Geburtsstadt des bedeutenden kritischen Realisten zu ermöglichen. Andererseits soll damit zugleich auch der Austausch künstlerischer Erfahrungen mit der hiesigen Kunst- und Kulturszene befördert werden.“

Dabei könnte sich durchaus auch die Möglichkeit eröffnen, dass Erlebnisse, Begegnungen und Gegebenheiten, die die Künstlerinnen und Künstler im neuen Umfeld haben, zur Basis eigener thematischer Auseinandersetzung werden, um schließlich mit künstlerischen Mitteln auf den Ort, seine Menschen, seine Geschichte oder Perspektive zu reagieren. Die zum Abschluss des Künstleraufenthaltes präsentierte Ausstellung „Zwielicht“ konzentriere sich vorwiegend auf Bilder mit Kinder- und Körperthematik.

Das Geraer Künstlerprogramm Artist-in-Residence ist nur durch die finanzielle Unterstützung der Geraer Bank eG möglich.

Die beiden Ausstellungen sind vom 20. März bis 22. Mai in der Kunstsammlung Gera / Orangerie, Orangerieplatz 1, Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr zu sehen.

Aussender:
Helga Walther
Redakteurin
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