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Unternehmen in der postindustriellen Ära
Redaktion: Gunnar Sohn
Eingestellt am  03.10.2006 Aktualitätsende 20.07.2008

Chancen des Netzwerkmanagements

Unternehmen in der postindustriellen Ära

 

Von Gunnar Sohn

Bonn/gc/http://www.ne-na.de. Nach Prognosen von Wirtschaftsexperten stehen die westlichen Volkswirtschaften vor einer Zäsur: Steuersysteme, Wertsysteme, Zeitrhythmen und soziale Hierarchien werden zwar immer noch nach großindustriellen Maßstäben getaktet in einer Welt der Lohnabhängigen: Nach einem Marktreport des Stuttgarter IT-Dienstleisters Nextiraone sind diese Mechanismen aber nicht mehr zukunftsfähig: „Die postindustrielle Ära, in der wir uns nun schon seit mindestens zwei Jahrzehnten befinden, erfordert ganz andere berufliche Fähigkeiten als im Zeitalter der Industrialisierung: Wissensmanagement, lebenslanges Lernen, kommunikative Kompetenz, Kundenfreundlichkeit und Sprachkenntnisse. Wir brauchen für die Dienstleistungsberufe eine Produktivitätsrevolution durch klügeres Arbeiten“, so die Analyse von Nextiraone http://www.nextiraone.de, einem weltweit tätigen Unternehmen, das sich auf die Systemintegration in der Informationstechnik und Telekommunikation spezialisiert hat. In der industriellen Güterproduktion sei klügeres Arbeiten nur einer von mehreren Schlüsseln höherer Produktivität, für die Dienstleistungsgesellschaft der einzige. Intellektuelles Kapital sei heute der entscheidende Wirtschaftsfaktor. Ohne Produktivitätssteigerung in Dienstleistungsberufen und ohne Innovationen bei den Arbeitsabläufen und Kundenkontakten werde man vom Markt gefegt. All die Unternehmen, die durch einen massiven Nachfragerückgang in den vergangenen Jahren gekennzeichnet waren, mussten ganz massiv auf der Serviceproduktivitätsseite arbeiten. Und hier spiele der Einsatz von Informationstechnik und Telekommunikation eine entscheidende Rolle. Wie man mit einer durchdachten Strategie das Internet für unternehmerische Geschäfte einsetzen kann, beleuchtet das vom Heise-Verlag herausgegebene Buch „OpenBC – Netzwerken leicht gemacht“ von Stephan Lamprecht. Es beschäftigt sich mit der Erfolgsgeschichte des 2003 in Hamburg gegründeten Netzwerkes OpenBC. Mittlerweile hat sich das Online-Portal zu einer der großen Drehscheiben für Geschäftskontakte im Internet entwickelt. 1,5 Millionen Mitglieder weltweit fahnden hier nach nützlichen Kontakten, wichtigen Infos, Aufträgen, neuen Mitarbeitern, Jobs, Kunden und Ideen. Das Handwerkszeug der Netzwerker ist schlicht: das eigene Profil, ein stets aktuelles Adressbuch aller Mitglieder, Diskussionsforen, eine interne Such- und E-Mail-Funktion - das genügt völlig, um in der Geschäftswelt Fuß zu fassen. „Noch bevor Begriffe wie Web 2.0 oder Social Software geprägt wurden, hatte der Open Business Club https://www.openbc.com bereits seine Pforten geöffnet. Viel Feind, viel Ehr! Die Idee von OpenBC hat inzwischen zahlreiche Nachahmer gefunden. Den vielen durchdachten Funktionen der Plattform ist jedoch anzumerken, dass sie auf jahrelange Erfahrungen zurückblicken kann. Nachdem ich mich zu einer Mitgliedschaft entschlossen hatte und mich intensiver mit dem Netzwerk beschäftigt hatte, stieß ich fast täglich auf neue Funktionen und Möglichkeiten. Die Idee zu diesem Buch war geboren“, schreibt Lamprecht. Im Grunde fungiere OpenBC nicht als fertiges Netzwerk, sondern als eine riesige Datenbank, die Mitglieder nutzen können, um sich damit ein eigenes Kontaktgeflecht aufzubauen. Vom Schreinermeister bis zum Vorstandsvorsitzenden sei jeder willkommen. Die bunt zusammengewürfelte OpenBC-Gemeinde stelle eine reale Abbildung der Wirtschaft dar, deshalb könne jeder sein individuelles Netzwerk knüpfen. Wer eine Gebühr von 5,95 Euro pro Monat bezahlt, kommt in den Genuss sämtlicher 400 Netzwerk-Instrumente, die OpenBC für seine Fädenzieher bereithält. Nicht zahlende Mitglieder können zwar ein eigenes Profil anlegen, Gruppen wie \ "Freiberufler Projektmarkt" beitreten, begrenzt nach Kontakten suchen und solche auch anbahnen - doch dann ist Schluss. Die interne E-Mail-Funktion oder die uneingeschränkte Personensuche bleibt ihnen verwehrt.

Ob der eher konservativ geprägte Mittelstand in Deutschland von solch modernen Instrumenten des Netzwerkmanagements Gebrauch macht, ist eine Frage, die zwei Sammelbände, herausgegeben von Friederike Welter vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, untersuchen: „Computer und Internet, aber vor allem Dezentralisierung, Flexibilisierung, Outsourcing und Networking forcieren die Herausbildung neuer Unternehmensformen und dabei vorwiegend von kleinstbetrieblichen Gebilden, mit denen Serviceanbieter, Wissens- und Telearbeiter vom Individuum zur Firma werden. Gegenwärtig ist - zumal nach der dot.com-Krise – eher unklar, in welchem Umfang Freelancing oder gar E-lancing gegenüber anderen Formen dezentralisierter Arbeit an Bedeutung gewann“, schreiben René Leicht und Ralf Philipp vom Mannheimer Institut für Mittelstandsforschung in dem Band „Dynamik im Unternehmenssektor: Theorie, Empirie und Politik“.

Traditionelle Beschäftigungsverhältnisse sind auf dem Rückzug

Nach Erfahrungen des Personalexperten Udo Nadolski vom Düsseldorfer Beratungshaus Harvey Nash
http://www.harveynash.com/de sind die traditionellen Beschäftigungsverhältnisse schon längst auf dem Rückzug. Befristete Arbeitsverträge und Zeitarbeit würden in Deutschland schon seit langem eingesetzt, um in einem verkrusteten Arbeitsmarkt ein wenig Flexibilität zu gewinnen. So sei die Zahl der Zeitarbeitnehmer hierzulande auf rund 500.000 Menschen angestiegen. Ein Plus von 15 Prozent im Vergleich zum Jahr 2004. Und dabei handele es sich nicht nur um Hilfsarbeiter, sondern auch um hochqualifizierte Arbeitskräfte. Die Zahl der Beschäftigten in Dienstleistungsberufen kletterte um rund 20 Prozent auf 130.000, in den technischen Berufen um 12 Prozent auf 19.000. Hochspezialisierte Problemlöser und Wissensarbeiter gehörten mittlerweile zum Leittyp der Freelance- und E-lance-Economy. So beurteilen das auch die amerikanischen Forscher Robert Laubacher und Thomas Malone. Die Autoren Leicht und Philipp schreiben dazu:

„Mit Blick auf eine durch Informationstechnologien veränderte Arbeitslandschaft schwärmen sie von neuen netzwerkartigen Wertschöpfungsgemeinschaften, in welchen sich Einzelunternehmer temporär und virtuell zu Teams zusammenfinden....Zumindest mit Blick auf die sogenannten Online-Projektbörsen, in welchen sich Freelancer zu Serviceangeboten zusammenschließen, gibt es wohl auch in Deutschland Anzeichen vernetzter Einpersonen-Selbständigkeit. Insgesamt, so das Credo vieler Experten, würden sich völlig neue Typen freiberuflicher Beschäftigung ergeben, die mit viel Autonomie und Wissen, aber vor allem mit einem PC ausgestattet sind“.

Generell seien die klein- und mittelständischen Unternehmen noch nicht für die multimediale Welt gerüstet. Das belegen die Beiträge im zweiten Band unter dem Titel „Der Mittelstand an der Schwelle zur Informationsgesellschaft“. So schreiben Friederike Welter und Bernhard Lageman:

„Die großen Unternehmen sind heute bei der intelligenten Nutzung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien fraglos Vorreiter, während in vielen klein- und mittelständischen Unternehmen der Computer immer noch eher als Schreibmaschinenersatz denn als intelligentes Instrument zur Reorganisation und Optimierung betrieblicher Strukturen dient. Dies hat zum Teil mit der Ressourcenknappheit, manchmal auch mit einem gewissen Konservatismus der Mittelständler zu tun. Schwerer wiegt etwas anderes: mittelstandsgerechte Geschäftssoftware drängt erst seit neuer Zeit massiv auf dem Markt vor, nachdem von den Softwareanbietern zunächst konzentriert das schein lukrativere Feld der Großunternehmen angesprochen worden war“. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse sich der Mittelstand stärker mit dem Netzwerkmanagement auseinandersetzen. Das baue auf der Kooperationsbereitschaft der Unternehmen auf – hier hinke Deutschland gegenüber den nordischen Staaten hinterher. Zudem müsste der Mittelstand die elektronischen Medien cleverer einsetzen. Das stärkste Potential sehen Welter und Lageman auf den vorderen Stufen der industriellen Zuliefererketten. Hier werde nichts mehr ohne Vernetzung laufen, während weite Bereiche der Dienstleistungswirtschaft auch auf lange Sicht ohne ein verstärktes Engagement in der Informations- und Kommunikationstechnologie auskommen könnten.

Diese Prognose stößt bei Branchenkennern auf Kritik: So erwartet Jens Klemann von der Bad Homburger Unternehmensberatung Strateco den größten Wachstumsschub in der Servicesparte. „In den vergangenen fünf Jahrzehnten ging die Zahl der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe von 46 Prozent auf 26 Prozent zurück, während im Dienstleistungssektor diese Zahl von 32 Prozent auf 72 Prozent anstieg – 71,9 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland waren 2005 in Branchen wie Handel, Gastgewerbe, bei Banken oder im Verkehrssektor beschäftigt. Deutschland positioniert sich für den immer härteren globalen Kampf um gesellschaftlichen Reichtum – und damit wird auch die Frage nach der Automatisierung und Produktivitätssteigerung von Serviceprozessen immer wichtiger“, so Klemann, Sprecher der Brancheninitiative Voice Business
http://www.voicedays.de. Pioniere seien die Unternehmen der Finanzbranche und der Telekommunikation. Aber auch in anderen Servicebranchen wie Touristik, Logistik oder Handel gebe es interessante Entwicklungen. In der Touristik setzten Konzerne wie AIDA Cruises, Anbieter von Kreuzfahrtreisen, auf Sprachautomatisierung vor allem zur Entlastung der Call Center. Reise-Stornierungen liefen per Sprachsteuerung ab – die Call Center Agenten könnten sich auf das Verkaufen von Reisen konzentrieren, anstatt Zeit damit zu verlieren, erfolglos einen zum Reiserücktritt schon entschlossenen Kunden umzustimmen. Im Reiseland Österreich gebe es erste Ansätze, Hotelbuchungen oder Gästezufriedenheitsbefragungen per Sprachcomputer abzubilden. Die Informationsgesellschaft biete viel mehr Perspektiven, als von Welter und Lageman dargestellt.

Stephan Lamprecht: OpenBC – Netzwerken leicht gemacht, Heise Zeitschriften Verlag, Hannover 2006, 155 Seiten, 14 Euro; Friederike Welter (Herausgeber): Der Mittelstand an der Schwelle zur Informationsgesellschaft, Verlag Duncker & Humblot, Berlin, 2005, 186 Seiten, 72 Euro; Friederike Welter (Herausgeber): Dynamik im Unternehmenssektor. Theorie, Empirie und Politik. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2005, 204 Seiten, 72 Euro.

Beitrag aus der Herbstausgabe des Printmagazins NeueNachricht mit dem Fokusthema: Dienstleistungsökonomie oder Industriekapitalismus? Das Einzelheft kostet 8,20 Euro. Bestellungen per Fax unter: 0228 – 620 44 75, E-Mail: baerbel.goddon@sohn.dewww.ne-na.de (Bestellbutton links). oder über die Website

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