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Deutschland Kommunikation Bericht
Das Hirn des einzelnen Menschen wird in der Masse untergehen
Der Geist in der Maschine
Wie digitale Assistenzsysteme und das Web 3.0 den Alltag erleichtern sollen
Redaktion: Gunnar Sohn
Eingestellt am  07.04.2009 Aktualitätsende 16.04.2009
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Hamburg/gc/www.ne-na.de . Fast 96 Milliarden Anfragen tippten Internetnutzer allein im Februar in die Suchfelder von Google und Co. Ein Jahr zuvor waren 67 Milliarden. Zu diesem Befund gelangte der Informationsprovider  Comscore http://www.comscore.com/. Das ständige Senden, Beantworten und Weiterleiten von teilweise völlig belanglosen Informationen wird von Kulturkritikern mittlerweile als semantische Umweltverschmutzung bezeichnet. Etwa 50-mal pro Tag öffnet ein typischer „Informationsarbeiter“ sein E-Mail-Fenster, 77-mal wendet er sich dem Instant-Messaging-Programm für den schnellen Versand von Nachrichten zu, nebenbei werden noch etwa 40 Web-Sites besucht. So hat es die US-Beratungsfirma RescueTime http://www.rescuetime.com auf Basis von 40.000 Nutzerprofilen in der Berufswelt untersucht.

 

Herman Maurer, Professor für Informatik an der Technischen Universität Graz http://www.tugraz.at, lässt sich von solchen Schreckenszenarien nicht beeindrucken. „Lange vor dem Jahr 2100 werden alle Menschen jederzeit und an jedem Ort auf alles Wissen der Menschheit zugreifen können, ähnlich wie wir das heute bei materiellen Gütern können. Dieser Zugriff wird mit Geräten erfolgen, die stark mit den Menschen integriert sind, und wird sich auf Wissen beziehen das entweder aus Datenbanken kommt oder aus Dialogen mit Experten entsteht. Das Gehirn des Einzelmenschen wird nur noch ein vergleichsweise winziger Bestandteil eines gewaltigen Wissensvorrates sein, der durch die Vernetzung aus Milliarden von Menschenhirnen und Datenbanken entsteht“, prognostiziert Maurer. 

Skeptiker, die vor einer nicht beherrschbaren Informationsüberflutung warnen, werden bald verstummen: „Am Horizont zeichnet sich bereits ab, dass die Informationslawine allmählich gebändigt und strukturiert werden wird zu sinnvollen, verlässlichen und auf die Person maßgeschneiderte Wissenseinheiten. Das wird geschehen über die stärkere Verwendung von Metadaten, von intelligenten Agenten, von vertikalen Suchmaschinen, wo Fachleute Informationen gefiltert und kombiniert haben, von Gigaportalen für die verschiedensten Anwendungsbereiche, von aktiven Dokumenten, die von sich aus antworten geben können“, so Maurer. Bei der Wissensvernetzung und dem Wissensmanagement sei es erforderlicht, Wissen jederzeit und an jedem Ort verfügbar zu machen. 

„Ich habe schon vor vielen Jahren den allgegenwärtigen Computer prognostiziert: nicht viel größer als eine Kreditkarte, weitaus mächtiger als die heutigen schnellsten Computer, mit hoher Übertragsgeschwindigkeit an weltweite Computernetze mit allen ihren Informationen und Diensten angehängt, in sich vereinigend die Eigenschaften eines Computers, eines Bildtelefons, eines Radio- und Fernsehgerätes, eines Video- und Fotoapparates, eines Global Positioning Systems (GPS), einsetzbar und unverzichtbar als Zahlungsmittel, notwendig als Führer in fremden Gegenden und Städten, unentbehrlich als Auskunfts- , Buchungs- und Kommunikationsgerät“, erläutert Maurer. Die allgegenwärtigen Computer werden stärker mit dem Menschen selbst verbunden. „Die Miniaturisierung von sehr mächtigen Computern wird so weit gehen, dass man sie in das Loch in einem Zahn wird einpflanzen können“, so Maurer weiter.

 

Die Cyborg-Visionen von Maurer erscheinen vielleicht utopisch. Einen Evolutionssprung versprechen sich Internetexperten nach einem Bericht der Financial Times Deutschland (FTD) zumindest von Fortschritten in der Entwicklung semantischer Technologien - landläufig auch als Web 3.0 bezeichnet. Plumb agierende Computer sollen verstehen, was für Inhalte sie hin und her verschieben oder gespeichert haben. „Erst dann werden Nutzer auf ihre Fragen tatsächliche Antworten erhalten und nicht nur eine mehr oder weniger passende Aufreihung von Weblinks“, so die FTD. Das Ziel von Google ist eine Suchmaschine, mit der man sich normal unterhalten kann und die dabei aus dem gesamten Wissen der Welt schöpft. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgt auch das derzeitig größte deutsche IT-Forschungsprojekt mit dem Namen THESEUS http://theseus-programm.de, benannt nach dem attischen Helden und angeblichen Ur-Vater der Demokratie. Für den Dialog zwischen Mensch und Maschine will THESEUS multimodale Benutzeroberflächen entwickeln, die durch Sprache und Gestik bedient werden können. Anfragen könnte man dann intuitiv formulieren und im Dialog mit dem System verfeinern. Ein semantischer Mediator fungiert im Computer als Schnittstelle zwischen der Benutzeroberfläche und den verschiedenen Metadatenquellen. Er wandelt eine gesprochene Anfrage in einen semantisch korrekten Datensatz um, der für eine Suche nötig ist.

 

Die Stimmen- und Gestenerkennung in der Google Mobile-Anwendung ist nach Ansicht des Sprachdialogexperten Lupo schon ein vielversprechender Ansatz: „Es ist erst einmal eine Sprach- oder Diktiererkennung, die auf einer Suchmaschine und demnächst sogar auf weiteren Handyfunktionen aufsetzt. Sprachdialogsysteme werden es erst, wenn ein Wissen über die Domäne und Dialogintelligenz hinzukommen. Das ist das, was wir mit dem Personal Assistant umsetzen. Dazu müssen die Wissensgebiete semantisch aufbereitet und Dialogstrategien hinterlegt werden. Die wichtigsten Use-Cases gilt es zu modellieren“, erläutert SemanticEdge-Geschäftsführer Pape http://www.semanticedge.de.

 

Einen Ausblick wagt auch Andreas Rebetzky, Sprecher des cioforums http://www.cioforum.de/ in Münchnen und CIO des Balinger Technologiespezialisten Bizerba http://www.bizerba.de: „In 20 bis 30 Jahren könnten beispielsweise vollständige Unternehmensinformationen auf winzigen Implantaten gespeichert werden. Sie könnten von unterschiedlichen Endgeräten ausgelesen werden, entweder von großen Touchscreens oder unterwegs per Sprachsteuerung über ein Armband mit Minidisplay.“ 

 

Selbst das Markenzeichen seiner Firma, die allseits aus dem Lebensmitteleinzelhandel bekannten Waagen, haben nur noch wenig mit der von Philipp Matthäus Hahn http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Matthäus_Hahn im 18. Jahrhundert erfundene „Wand-Neigungswaage“ zu tun. Die neuesten Bizerba-Geschäftswaagen sind die wiegenden und druckenden Endstationen der Computernetze. Die jüngste Generation verlangt nicht einmal mehr einen Tastendruck, sondern kann dank optischer Bildverarbeitung Äpfel und Birnen selbst unterscheiden. Und wenn es gilt, Tomaten mit und ohne Stiel vom Strauch zu unterscheiden, dann fragt so eine Waage eben beim Kunden mit knapper Menüauswahl zurück. Auch die altehrwürdige Wägetechnik fungiert nunmehr als digitaler Einkaufsberater. So zeigt das Kundendisplay den Namen der Verkäuferin, aktuelle Kaufangebote, informiert über Nährwerte, Zusatzstoffe, Herkunft, Allergene, vermittelt Empfehlungen für die korrekte Lagerung der Lebensmittel, macht Rezept- und Menüvorschläge.

 

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