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Deutschland Gesellschaft Bericht
Die Maschine als Hausmeister
Automaten-Diktatur
Von der Reklame-Zwangsbetankung zum Despotismus
Redaktion: Gunnar Sohn
Eingestellt am  05.08.2009 Aktualitätsende 15.08.2009
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Bonn/gc/www.ne-na.de. Die politischen Volkspädagogen haben die Welt der Geräte, Maschinen und Informationstechnologien als Spielwiese für ihre Borderline-Kontrollsucht entdeckt. Da bekommt das lateinische Wort „Pater“ eine neue Geltung.

Der Paternalismus entstammt einem hierarchischen Familienmodell, in dem der Vater für seine Kinder sorgt und ihnen vorschreibt, wie sie sich zu verhalten haben. Ähnlich strukturiert läuft der Züchtigungsdrang beim Technologiepaternalismus ab.

Harmlos fängt es noch mit der „Anschnallerinnerung“ an, die heutzutage in praktisch allen Fahrzeugen das Anlegen des Sicherheitsgurtes „vorschlägt“ – begleitet von nervigen Pieptönen, die unsere Gehörgänge malträtieren. Etwas penetranter ist der „Alcokey“ von Saab, der das Fahrzeug nur dann startet, wenn der Fahrer nicht alkoholisiert ist.

Nicht minder fragwürdig ist das System „Connected Drive”  eines deutschen Automobilherstellers. Öffnet sich der Airbag, informiert das Auto über das Mobilfunknetz den Notdienst. „Das tat es auch, als ein Hamburger seinen Wagen nächtens versehentlich in ein Hafenbecken lenkte. Als der Havarist sich ohne fremde Hilfe aus dem Fahrzeug befreite, hatte der BMW allerdings schon längst SOS gefunkt. Polizei und Rettungskräfte waren binnen Minuten an der Unfallstelle, fanden den Wagen – und kurz darauf dessen angesäuselten Fahrer. Das unrühmliche Ende der Tour: Fahrerlaubnis futsch, und den Schaden am Auto musste der Alkoholsünder auch tragen.

Ohne Connected Drive hätte er sich eine plausible Geschichte für die Versicherung ausdenken können. Weil er sich um diese Chance gebracht sah, verklagte er den Automobilhersteller – allerdings erfolglos“, berichtet Technology Review.

Selbst Espressomaschinen ermahnen uns durch laute Signale, die Reinigung nicht zu vernachlässigen und Bohrmaschinen verweigern den Dienst, wenn Schutzhelm und Schutzbrille fehlen. Unheilvolles könnte sich auch mit der neuen Verschlüsselungstechnologie CI Plus für das Digitalfernsehen entwickeln: Hier eröffnen sich für Programmanbieter eine Vielzahl von Folterinstrumenten zur Einschränkung der TV-Nutzung.

„Die Sender können zum Beispiel bestimmte Programme mit einem Aufzeichnungsverbot belegen. Oder sie können dafür sorgen, dass sich Werbeblöcke beim zeitversetzten Fernsehen nicht mehr im schnellen Vorlauf überspringen lassen; damit hätten wir dann die Reklame-Zwangsbetankung“, so die FAZ.

Maschinen werden zu Vollstreckern von Zwangsmaßnahmen gedrillt – anfänglich hilfreiche Technik mutiert zum repressiven Oberlehrer.

Wenn Systeme, Geräte, Suchmaschinen oder virtuelle Verbotsschilder entscheiden, was richtig und was falsch für uns ist und unser Verhalten einschränken oder sogar sanktionieren, dann bekommen wir eine Automaten-Diktatur.

Und die könnte sich nachhaltiger auswirken als das paternalistische Verhalten unter Menschen, warnen die Wissenschaftler Sarah Spiekermann und Frank Pallas in einem Beitrag für das Fachbuch „Die Informatisierung des Alltags“ (Hrsg. Friedemann Mattern, Springer-Verlag):

„Zum einen reagieren Maschinen automatisch und autonom und lassen den Betroffenen damit nur wenig Möglichkeit zur Antizipation oder Reaktion. Zum anderen ist Technik absolut. Hat beispielsweise ein Fahrer Alkohol in der Atemluft, so ist es ihm gänzlich unmöglich, das entsprechende Auto zu starten – auch in Notfällen, in denen das Fahren unter Alkoholeinfluss üblicherweise akzeptiert würde“.

Der Paternalismus der gutmeinenden Kontrolleure sei bei Technologien nicht nur mit Gehorsam oder Obrigkeitshörigkeit verbunden, sondern erzeuge einen Zwang zu absoluter Konformität.

Autonom agierende Maschinen werden zu absoluten Kräften, deren Entscheidungen und Handlungen nicht umgangen oder missachtet werden können. Staatliche Maßregelungsinteressen könnten als Katalysator wirken und sogar zwingend vorschreiben, automatische Sanktionsinstrumente zu etablieren.

Die guten Absichten von Politikern wie Ursula von der Leyen können dabei massentauglich ins Spiel gebracht werden, um die fatale gesellschaftspolitische Wirkung klein zu reden. Aber schon Immanuel Kant meinte, eine Regierung, die ihr Volk so behandele wie ein Vater seine unmündigen Kinder, die nicht wüssten, was für sie nützlich oder schädlich sei, wäre „der größte denkbare Despotismus”.

Menschen sollten daher immer die Möglichkeit haben, die Technik zu überstimmen. Sie darf weder bestrafen noch sanktionieren. Erlauben könnte man höchstens einen Schleim- oder Motivationsmodus.

Diskussion unter: http://www.ne-na.de/die-maschine-als-hausmeister-von-der-reklame-zwangsbetankung-zum-despotismus

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