Startseite Home Suche Fotos Archiv Service Leserpost Redaktion Impressum Autoren Newsletter German-Circle

NACHRICHTEN ( 1 )

NEWS ARTIKEL
  | einen Leserbrief schreiben | diesen Artikel versenden | ... zurück
Deutschland Gesellschaft Bericht
Die Ausbeutung der Mittelschicht
Mittelstand ist nicht mehr die Mitte
Deutschland braucht einen neuen Gesellschaftsvertrag
Redaktion: Gunnar Sohn
Eingestellt am  28.08.2009 Aktualitätsende 06.09.2009
Nürnberg/gc/www.ne-na.de. „Die bloße Summe von Einzelmaßnahmen ergibt noch keine konsistente Mittelstandspolitik. Bei den für die Zukunft der Unternehmen entscheidenden steuerpolitischen Rahmenbedingungen ist Schwarz-Rot über erste positive Ansätze nicht hinausgekommen. Daher fällt die Mittelstandsbilanz bestenfalls durchwachsen aus. Dies erklärte der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, zur Bilanz der mittelstandspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung.

Zu den Pluspunkten zähle der konsequente Abbau bürokratischer Regelungen. Auch die Ausweitung der Ist-Besteuerung bei der Umsatzsteuer sei ein Schritt in die richtige Richtung. „Auf der anderen Seite ist die hohe Abgabenbelastung der Klein- und Mittelbetriebe weiter gewachsen, betonte Ohoven.

Bei der Unternehmensteuerreform sei der Großen Koalition auf halber Strecke die Puste ausgegangen. Überdies drohe nach der Bundestagswahl ein erneuter Dreh an der Steuerschraube. Zweifel seien auch bei den Konjunkturmaßnahmen der Bundesregierung angebracht. Von zehn Milliarden Euro aus dem zweiten Konjunkturpaket sind für kommunale Investitionen bisher 70 Millionen abgerufen worden. Da ist es mit der Wirksamkeit für den Mittelstand nicht allzu weit her, so der Mittelstandspräsident.

Besser als jedes staatliche Konjunkturprogramm sei ein klares Signal für mehr Investitionen und Beschäftigung: „Die Bundesregierung sollte den Solidaritätszuschlag schrittweise bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode vollständig abschaffen, zumindest aber befristet aussetzen.

Professor Stephan A. Jansen von der Zeppelin Universität in Friedrichshafen sieht die hohe Staatsquote als Problem, die kaum noch für die Produktion von öffentlichen Gütern verwendet wird. „Gut 60 Prozent der öffentlichen Aushaben gehen für Zinsen, Tilgungen und Pensionen weg, also für Leistungen der Vergangenheit, und nur zehn Prozent für Bildung. Das produziert eine gewaltige Generationenungerechtigkeit“, warnt Jansen im Interview mit der Zeitschrift brand eins.

Deshalb werde es Zeit für einen neuen Gesellschaftsvertrag und eine demokratische Debatte darüber, war wir staatlich und was wir privat produzieren und finanzieren wollen. „Und welche Rolle wir dem Staat zuerkennen. Muss er die öffentlichen Güter selbst herstellen oder nur gewährleisten, dass sie dem Bürger verlässlich zur Verfügung stehen? Muss er für alle Unsicherheiten des Lebens vorsorgen – oder nur sicherstellen, dass wir es tun“, fragt der Professor für strategische Organisation und Finanzierung.

„Der Staat mischt sich ein, wenn Großunternehmen die Insolvenz droht – und lässt unzählige Kleinstunternehmen ungerührt und medial unbeobachtet Pleite gehen. Warum? Weil das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft nicht geklärt ist und wir es in beiden Systemen mit unterschiedlichen Währungen zu tun haben.

Die Währung im Wirtschaftssystem ist Einkommensmaximierung, die Währung im politischen System Stimmenmaximierung. Und wenn es um Stimmenmaximierung geht, zählen Zigtausend Operarbeiter eben mehr“, moniert Jansen.

Verlierer in diesem Politspiel ist die breite Masse der Bevölkerung, die der SZ-Redakteur Marc Beise als Mittelschicht definiert. Alle Steuermaßnahmen seit 1990 haben nach Analysen von Beise eine Belastungsverschiebung nach sich gezogen. Gewinner seien vor allem Bezieher niedriger und sehr hoher Einkommen, Verlierer die mittleren Einkommen: „Bei ihnen reicht die tarifliche Entlastung nicht aus, um die heimlichen Steuererhöhungen und die Einführung des Solidaritätszuschlages auszugleichen. Letzterer ist erstmals 1991 erhoben und dann dauerhaft ab 1995 eingeführt worden und beträgt zusätzliche 5,5 Prozent  (bis 1998 7,5 Prozent) der Steuerschuld“, schreibt Beise in seinem neuen Buch „Die Ausplünderung der Mittelschicht“.

Er vergleicht die Lage der Steuerpflichtigen mit 1957. „Damals wurde der Spitzensteuersatz von 53 Prozent erst beim Siebzehnfachen des Jahreseinkommens eines durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmers fällig, ab 60.000 Mark. Heute liegt das Durchschnittseinkommen bei 35.000 Euro, und der Spitzensteuersatz ist ab dem Anderthalbfachen dieser Summe fällig. Wer gut 50.000 Euro im Jahr verdient, zahlt 42 Prozent plus Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer.

Während der Mittelstand damals auch steuerlich Mitte war, gehören viele seiner Mitglieder heute zur Zielgruppe des Höchststeuersatzes“, so Beise. Und vor diesem Hintergrund begann die SPD im Frühjahr 2009 allen Ernstes eine Erhöhungsdiskussion – mit dem Ziel, in Zeiten der Krise die Armen reicher und die Reichen ärmer zu machen. Man erinnert sich noch vage an den PR-Gag der SPD, einen „Lohnsteuerbonus“ von 300 Euro auszuzahlen. Ärgerlich sei nach Meinung von Beise nicht nur die falsch intonierte Stimmungsmache gegen den vermögenden Teil der Gesellschaft.

„Die SPD definiert Steuerpolitik als ausgleichende Gerechtigkeit, und damit sei das Thema erledigt. Dabei ist die Müntefering-Partei drauf und dran, sich mit dem Schlachtruf ‚Wider die Reichen!’ erneut ausgerechnet an der Mittelschicht zu vergreifen. Verräterisch war, dass die SPD nicht nur den Zuschlag für Reiche um noch einmal fast die Hälfte auf denn 47 Prozent erhöhen wollte, sondern zugleich die Grenze zu halbieren erwog, ab der der Staat zusätzlich zugreift: Sie läge dann bei 125.000 Euro (Verheiratete das doppelte). Wer so viel verdient, liegt weit über dem Durchschnitt, ist aber ganz sicher nicht reich. Betroffen sind die mittlere Führungskraft, der Handwerker, Arzt oder Anwalt, der Kleinunternehmer – Mittelschicht pur“, erläutert Beise.

Hintergrundinformation:

Normalverdiener, also die Mehrheit der Steuerzahler , sollten mehr darüber nachdenken, wie gerecht die sogenannte Umverteilungslogik des Staates wirklich ist. Wie viel bleibt beispielsweise einem Arbeitnehmer übrig, der 2.000 Euro Brutto verdient? Der kürzlich verstorbene BWLer Harry Zingel hat dazu eine interessante Rechnung veröffentlicht:
Brutto-Monatsgehalt: 2.000 Euro
Lohnsteuer (Tabelle 2009): 253,08 Euro
Kirchensteuer 9%: 22,78 Euro
Solidaritätszuschlag 5,5%: 13,92 Euro
AN-RV 19,9%: 199,00Euro
AN-KV (Einheitsbeitrag) 14,0%: 140,00?Euro
AN-KV (Sonderbeitrag) 0,9%: 18,00 Euro
AN-ALV 2,8%: 28,00?Euro
AN-PV 2,2% (0,25% Zuschlag/keine Kinder): 22,00 Euro = Netto-Auszahlung: 1.303,22?Euro
Praxisgebühren (monatlich): 3,33 Euro
Sonst. Gesundheitskosten: 20,00 Euro
Kfz-Steuer (Schätzung): 30,00 Euro
Kfz-Versicherung (Schätzung): 60,00 Euro = Netto minus direkte Abzüge: 1.189,89 Euro
USt. (MWSt.) 19% auf 75% der Ausgaben: 142,49 Euro
USt. (MWSt.) 7% auf 25% der Ausgaben: 19,46 Euro
Benzinsteuer 0,7210 Euro/Liter, 80 Liter Verbrauch: 57,68?Euro
Verbrauchssteuer (Schätzung): 100,00 Euro
AfA Auto 4 Jahre Nutzung, 8.000 Euro Neuwert: 166,67 Euro
Verwertbares Realeinkommen: 703,60 Euro?Euro = Brutto-Abgabenquote: 64,82%
Berufsgenossenschaft 3%: 60,00 Euro = AG-SV inkl. BG: 464,00 Euro = Gesamter Personalaufwand: 2.449,0=?Euro = Real-Abgabenquote: 71,27%

Die reale Abgabenquote liegt in diesem Rechenbeispiel bei sieben Zehntel! Rechnet man den Gebührenterror der Kommunen und sonstiger Institutionen hinzu, ist doch klar, das ein großer Teil der Bevölkerung in die private Verschuldung getrieben wird. Wir sollten uns also nicht auf die trügerische Arm-Reich-Debatte und den Versprechen der Umverteilungs-Hütchenspieler einlassen, sondern einen radikalen Umbau des Steuerstaates verlangen. Deshalb ist eine Brutto-Netto-Debatte so wichtig.

Das die Reichensteuer den Bürgern nicht mehr Netto in die Taschen spült, hat der Tagesspiegel eindrucksvoll beschrieben. Nach den Plänen der SPD bringt sie magere eine Milliarde Euro jährlich in die Staatskassen: „Eine Summe, die nicht einmal die zusätzlichen Zinslasten infolge der Ausgaben für die Bankensanierung decken könnte ....”, so der Tagesspiegel.


Siehe auch:

Das leise Sterben der Mittelschicht:

http://gunnarsohn.wordpress.com/2009/04/06/das-leise-sterben-der-mittelschicht-warum-die-arm-reich-debatte-ein-taschenspielertrick-ist


SPD-Reichensteuer: http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/Reichensteuer-SPD-Spitzesteuersatz;art141,2773471

Gehaltsrechner für die ausgebeutete Mittelschicht:

http://www.redline-verlag.de/gehaltsrechner

 

Diskussion unter: http://www.ne-na.de/die-ausbeutung-der-mittelschicht-warum-der-mittelstand-steuerlich-nicht-mehr-mitte-ist-deutschland-braucht-einen-neuen-gesellschaftsvertrag/0082

Redaktion
NeueNachricht

Gunnar Sohn
Ettighoffer Straße 26A
53123 Bonn
Tel: 0228 – 6204474
Mobil: 0177 – 620 44 74
gunnareriksohn@googlemail.com
http://www.ne-na.de
http://twitter.com/gsohn
http://dienstleistungsoekonomie.ning.com
http://gunnarsohn.wordpress.com
http://www.facebook.com/gsohn

Auf www.german-circle.de können Sie kostenlos für 9 Tage fremde oder eigene Nachrichten veröffentlichen lassen. Mailen Sie Ihre Texte und Bilder einfach an die Redaktion (redaktion@german-circle.de). Achten Sie bitte darauf, dass Ihre Bilder und Nachrichten frei von Rechten Dritter sind.
Vielen Dank!
Redaktion des German Circle
  | einen Leserbrief schreiben | diesen Artikel versenden | ... zurück