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Deutschland Wirtschaft Bericht
Das Blöken der schwarzen Schafe
Nervende Werbeanrufe
Die Leierkastenspieler der Call Center-Branche
Redaktion: Gunnar Sohn
Eingestellt am  01.02.2010 Aktualitätsende 10.02.2010
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Bonn/gc/www.ne-na.de. Immer wieder sind es wohl nur die schwarzen Schafe der Call Center-Branche, die uns täglich mit unerlaubten Werbeanrufen auf den Senkel gehen. So trällern es zumindest die Verbandsvertreter seit Jahren leierkastenhaft herunter. Und sicherlich wird man auf der Call Center World in Berlin in gut einer Woche wieder narkotisiert mit perfekten Multi Channel-Prozessen, Best Practice-Gemurmel, Preisverleihungen für Call Center-Heldentaten, Power Point-Dünnbrettbohrer-Reden, Motivationsübungen sowie Qualitätsoffensiven mit Prüfsiegel, Ehrenkodex und allem Pipapo.

Für den Hotline-Terror ist dort niemand verantwortlich. Das sind immer die anderen, die schwarzen Schafe halt. Auf der Fachmesse im Neuköllner Hotel Estrel laufen nur weiße Schafe umher und sind sich keiner Schuld bewusst.

Woher kommt nur die verbotene Telefonwerbung, gegen die die Bundesnetzagentur jetzt mit aller Macht vorgehen will und nach Abschluss der ersten Ermittlungsverfahren Bußgelder in Höhe von 500.000 Euro verhängt hat?

Netzagentur-Präsident Peter Kurth will jedenfalls ein Signal gegen den fortlaufenden Rechtsbruch setzen. Seit dem 4. August 2009 gelten in Deutschland Werbeanrufe ohne Einwilligung des Angerufenen und Werbeanrufe mit unterdrückter Rufnummer als Ordnungswidrigkeit.

Eine durchschlagende Wirkung hatte die Novelle des Telekommunikationsgesetzes noch nicht: „Das ersichtliche Desinteresse einiger Unternehmen am seit langem gesetzlich bestehenden Verbot unerlaubter Telefonwerbung ist nicht akzeptabel. Die Vorschriften zu telefonischen Werbeanrufen gelten ohne Ausnahme“, sagte Kurth nach einem Bericht der Tagesschau http://www.tagesschau.de/wirtschaft/werbeanrufe104.html.

Auch die Auftraggeber von Telefonwerbung könnten sich dabei nicht aus der Verantwortung stehlen. „Sie verhalten sich rechtswidrig, wenn sie telefonische Werbekampagnen durchführen lassen, ohne über die erforderliche ausdrückliche und wirksame Einwilligung der Verbraucher in Telefonwerbung zu verfügen“, betonte Kurth. Bei Verstößen gegen das Verbot der unerlaubten Telefonwerbung können Bußgelder bis zu 50.000 Euro verhängt werden.

Den gegenwärtigen Bußgeldbescheiden waren langwierige Ermittlungsarbeiten vorausgegangen. Dabei profitierte die Behörde von den Hinweisen betroffener Verbraucher. „Von Juli bis Dezember 2009 gingen hier über 28.000 Beschwerden allein wegen unerlaubter Telefonwerbung ein. Zahlreiche Ermittlungen laufen noch“, so Kurth. Er ruft die Verbraucher dazu auf, Verstöße bei der Bundesnetzagentur zu melden.

Wichtig sind Datum und Uhrzeit des Anrufs, Name des Anrufers sowie - wenn möglich - dessen Rufnummer. Zudem sollten der Name des Auftraggebers sowie der Grund des Anrufs angegeben werden können. Kurth gab den Verbrauchern die Empfehlung, nicht sofort den Telefonhörer aufzulegen, sondern den Call Center-Agenten intensiver zu befragen.

 Muss also Tante Erna am Telefon nun doch  Sherlock Holmes spielen, wie es schon ein Sprecher des Bundesjustizministeriums im Interview mit NeueNachricht einforderte? (siehe auch http://ne-na.de/tante-erna-sherlock-holmes-und-die-dilettantischen-regeln-gegen-unerlaubte-telefonwerbung-call-center-gauner-ndern-ihre-gesch-ftsmodelle).

Nach den Vorstellungen des Ministeriumssprechers sollten sich Verbraucher mit einem Notizblock bewaffnen, den unerbetenen Call Center-Agenten in ein Gespräch verwickeln und je nach taktischer Vorgehensweise aus ihm herauspressen, wie sein vollständiger Name lautet und in wessen Auftrag er anruft. Das klingt zwar amüsant. Dürfte sich in der Praxis wohl eher als Treppenwitz herausstellen. Doch so kompliziert muss es sich Tante Erna gar nicht machen.

„Die Bundesnetzagentur, die seit dem 1. September 2009 als Kontroll- und Sanktionsinstanz im Spiel ist, hat perfekte technische Möglichkeiten, auch bei unterdrückter Rufnummer den Anrufer zu identifizieren, wenn der Anrufzeitpunkt einigermaßen eingegrenzt werden kann. Außerdem: Wenn ein Geschäft am Telefon zustande kommt, weiß Tante Erna spätestens nach Zusendung der Vertragsunterlagen und der Rechnung, wer dahinter steckt - und dann erfährt es auch die Bundesnetzagentur“, so der Ratschlag von Rechtsanwalt Michael Siegert, Spezialist für Datenschutz und Direktmarketing, im Interview mit NeueNachricht.

Auf der Bundesnetzagentur-Website finde sich ein gut durchdachter Vordruck, mit dem der Verbraucher unlauteres Telefonmarketing relativ einfach anzeigen kann. „Ich kann mir schon vorstellen, dass einige Branchengauner in die Knie gehen werden. Die Bundesnetzagentur hat ein beeindruckendes Sanktionsarsenal:

Da sind nicht nur die Bußgelder von bis zu 50.000 Euro nach dem neuen Paragrafen 20 UWG, sondern auch die Möglichkeit nach Paragraf 67 Absatz 1 Telekommunikationsgesetz, Rufnummern abzuschalten - was sie bereits mehrfach getan hat. Während man früher für ein entsprechendes Verbot oder Einschreiten einen gerichtlichen Titel benötigte, kann die Bundesnetzagentur jetzt unmittelbar Maßnahmen ergreifen und Sanktionen aussprechen - die erst danach gerichtlich überprüft werden“, weiß Siegert.

Bei Anzeige einer falschen Telefonnummer werde ein Bußgeld von 10.000 Euro fällig. „Kennt die Bundesnetzagentur den ungefähren Zeitpunkt des Anrufs beim Verbraucher, ist es für sie regelmäßig auch nicht weiter schwierig zu ermitteln, wer denn tatsächlich gegebenenfalls auch unter welcher Rufnummer angerufen hat. Wenn der Anrufzeitpunkt klar ist, aber eine andere - womöglich nicht existente - Rufnummer angezeigt wird, dürfte das anrufende Unternehmen kaum noch in der Lage sein, die Angabe einer richtigen Rufnummer zu beweisen. Vergessen Sie nicht: Der angerufene Verbraucher ist bei einem Bußgeldverfahren nicht Partei, sondern Zeuge“, so Siegert gegenüber NeueNachricht.

Allerdings werde das nervige Blöken der Call Center wohl nie aufhören. Die Branchengauner zwinge man mit der Gesetzesnovelle nicht in die Knie, prognostiziert Call Center-Fachmann Jens Klemann: „Die werden ihr ‚Geschäftsmodell' so abändern, dass sie entweder Abmahnungen und Strafen einkalkulieren oder ihren Geschäftssitz und Firmenstruktur so aufsetzen, das man ihnen nicht an die Wäsche kann, befürchtet Klemann, Geschäftsführer von Strateco und Mitinitiator des Nürnberger Fachkongresses Voice Days plus.

Die Beschwerden von rund 28.000 Verbrauchern, die sich in nur sechs Monaten bei der Bundesnetzagentur angehäuft haben, werden auf der Call Center World wohl keinen sehr großen Platz einnehmen.

Dafür erfreut man die Teilnehmer mit so schönen Themen wie „Kundendialog nach der ‚Act like lovers do‘-Strategie“, diskutiert über intelligentes „Touchpoint Management“, sinniert über die Frage, ob Zertifizierung im Call Center ein Qualitätsmerkmal oder Marketing-Gag sei, tauscht sich über „Cultural awareness in a global business“ aus, bastelt an integrierten „Skill-basierten Multi Channel-Ansätzen“, philosophiert über den „Paradigmenwechsel vom Opt-Out zum Opt-In“, sucht Erlösung in dem „Erfolgsfaktor Mut“ und erkundet den Mythos „Workforce Management“.

Noch Fragen, lieber Call Center-Kunde? Dann einfach das Programm der diesjährigen Call Center World herunterladen: http://www.callcenterworld.de/ccw/download/02-7269web.pdf

Für Beschwerden dann aber gleich die Bundesnetzagentur kontaktieren: http://www.bundesnetzagentur.de/enid/b0c10b1b603e14def359bdf2abcf0dc5,0/Rufnummernmissbrauch_-_Spam_-_Unerlaubte_Telefonwerbung/Kontakt_1er.html

Diskussion/Kommentare unter: http://ne-na.de/das-bl-ken-der-schwarzen-schafe-nervende-werbeanrufe-und-die-leierkastenspieler-der-call-center-branche/00262

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