Berlin/gc/pm. Mit der Schaffung des neuen Referates „Hilfe für Journalisten in Not“ wird die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen (ROG) verfolgten Medienmitarbeitern systematisch und gezielt Unterstützung bieten.
Die Organisation zur Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit reagiert damit auf die große Zahl von bedrohten oder geflüchteten Journalisten. „Diese Menschen sind weltweit auf Hilfe angewiesen“, erklärte ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard bei der Vorstellung des neuen Arbeitsbereichs bei einer Pressekonferenz am 19. Februar 2010 in Berlin.
Juristische Hilfe, finanzielle Unterstützung und sichere Unterkunft in akuten Bedrohungssituationen sowie Hilfe auf der Flucht gehören zu den Schwerpunkten des neuen Arbeitsbereichs, für den die Juristin Alexandra Tryjanowski zuständig ist.
Bei der Veranstaltung in den neuen Geschäftsräumen von Reporter ohne Grenzen in Berlin-Mitte wies Generalsekretär Julliard auch auf die weltweit hohe
Flüchtlingszahl unter Medienschaffenden hin und übte scharfe Kritik an der Visa-Politik der EU: „Viele Journalisten und Internetaktivisten riskieren ihr Leben bei illegalen Einreiseversuchen, weil es praktisch unmöglich ist als Flüchtling ein Einreise-Visum für ein europäisches Land zu erhalten. Die EU-Staaten müssen sich ihrer Verantwortung stellen und verfolgten Medienmitarbeitern, Bloggern und Menschenrechtsaktivisten zügig und unbürokratisch helfen“, forderte der Generalsekretär. Nur so könnten diese Menschen ausreichenden Schutz finden. Es sei zynisch, öffentlich Solidarität mit den Menschen im Iran zu demonstrieren, die für mehr Freiheit auf die Straße gehen oder über die Proteste dort berichten, und gleichzeitig die Menschen allein zu lassen, die ins Visier des iranischen Verfolgungsapparates geraten sind, weil sie unabhängige Informationen verbreitet haben.
Die EU-Visa-Praxis sehe vor, dass nur Menschen, die sich bereits auf europäischem Boden befinden, Asyl beantragen können. Die starke Sicherung der „Festung Europa“ und das ungeschriebene Prinzip „kein Asyl aus dem Ausland“ lasse den Betroffenen nur die Wahl, in prekären Situationen in Nachbarländern auszuharren oder sich für den gefährlichen Weg einer illegalen Einreise nach Europa zu entscheiden.
Dass die Gewährung von Visa in akuten Notfällen unerlässlich und möglich ist, zeige sich gerade in den aktuellen Iran-Fällen: „Frankreich hat in der Irankrise großzügig Notfall-Visa an geflohene Journalisten vergeben. Diesem Beispiel sind einige europäische Länder gefolgt - Deutschland war allerdings nicht darunter“, kritisierte Julliard. ROG habe die deutsche Regierung seit Ende Oktober in mehreren Notfällen um humanitäre Visa ersucht, in keinem Fall sei bisher eine positive Entscheidung erfolgt.
Diese Praxis zwinge viele Kollegen monate- oder jahrelang in unsicheren Nachbarstaaten ihrer Heimat wie dem Jemen, Sudan, Irak oder der Türkei auszuharren - häufig ohne Einkommen, immer noch im Visier ihrer früheren Verfolger und oft zudem schikaniert von lokalen Behörden des Aufenthaltsstaates. Die Unterstützung dieser Menschen etwa mit Unterkünften und medizinischer Hilfe ist nur ein Teil der langjährigen ROG-Nothilfe-Arbeit. Seit 2006 ist am Pariser Hauptsitz der Organisation darüber hinaus eine gesonderte Informations- , Koordinations- und Anlaufstelle für Journalisten in Not eingerichtet worden.
Die Erweiterung dieses Arbeitsbereichs in Deutschland wurde mit Geldern aus dem „Roland-Berger-Preis für Menschenwürde“ 2009 ermöglicht. ROG erhielt die Auszeichnung im vergangenen Jahr von der Roland Berger Stiftung für den weltweiten Einsatz für Pressefreiheit und den Schutz verfolgter Journalistinnen und Journalisten.
„Reporter ohne Grenzen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Verletzungen der Pressefreiheit zu dokumentieren, besonders schwerwiegende Verstöße bekannt zu machen und in Not geratene Journalisten zu unterstützen“, sagte Prof. Dr. h.c. Roland Berger, Gründer und Vorsitzender des Kuratoriums der Roland-Berger-Stiftung. „Die Auszeichnung dieser internationalen Organisation mit dem ‚Roland-Berger-Preis für Menschenwürde' soll uns alle ermutigen, das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit zu schützen und als aktive Bürger selbst zu gebrauchen.“
Die neue Referentin für Migrationsrecht, Flüchtlingsarbeit und Nothilfe, Alexandra Tryjanowski, kann in ihrer Arbeit auf die von der deutschen ROG-Sektion seit deren Gründung im Jahr 1994 geleistete Hilfe für Medienmitarbeitende aufbauen.
„Die Unterstützung in Notfällen wird auch in Berlin nicht mehr nur ad hoc erfolgen, sondern auf eine professionellere und vernetztere Struktur zurückgreifen können. Damit wird sie schlagkräftiger, schneller und wirksamer“, so Tryjanowski, die bei der Hilfe vor Ort ansetzen möchte: „Journalisten, die wegen ihrer kritischen und mutigen Berichte unter Druck gesetzt, überfallen oder willkürlich mit Strafverfahren überzogen werden, sollen wissen, dass sie nicht allein sind. Das Signal geht aber nicht nur an die Betroffenen, sondern auch an diejenigen, die die Presse- und Meinungsfreiheit missachten.“
Finden Sie hier die begleitende Pressemappe mit weiteren Informationen zur ROG-Nothilfe:
http://www.reporter-ohne-grenzen.de/index.php?id=446Pressekontakt:Reporter ohne Grenzen
Anja Viohl
Tel. 030-202 15 10 16
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