Berlin/gc/rog. Anlässlich des „Welttags gegen Internetzensur“ am 12. März warnt Reporter ohne Grenzen (ROG) vor zunehmenden Bedrohungen der Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet.
„Das Internet hat sich zu einem Austragungsort des Kampfes um den Zugang zu freien Informationen entwickelt. Eine steigende Zahl von Staaten versucht, ihre Online-Kontrolle auszudehnen. Gleichzeitig wächst die Gruppe erfinderischer, solidarischer Internetnutzer, die gegen diese Überwachung mobil macht“, so ROG.
ROG hat den „Welttag gegen Internetzensur“ im vergangenen Jahr (2009) erstmals initiiert. Auch in diesem Jahr veröffentlicht die Organisation zum Schutz der Medien- und Meinungsfreiheit wieder den Bericht „Feinde des Internets“, in dem Maßnahmen der Internet-Überwachung und Repressionen gegen Blogger und Cyberdissidenten in mehr als 20 Staaten beschrieben werden.
Auf der Liste der „Feinde des Internets“ stehen abermals die zwölf Länder China, Iran, Birma, Nordkorea, Turkmenistan, Kuba, Saudi-Arabien, Ägypten, Usbekistan, Syrien, Tunesien und Vietnam.
In diesen Staaten werden unliebsame Internetnutzer systematisch verfolgt und „unerwünschte“ Online-Informationen oft mit großem technischen Aufwand zensiert. In einigen Ländern wie China und Usbekistan schreiten Tendenzen voran, das Internet zu einer Art Intranet zu machen. In Nordkorea, Birma und Turkmenistan ist ein Großteil der Bevölkerung sogar komplett vom World Wide Web abgeschnitten.
Bei bevorstehenden Jahrestagen oder anderen Anlässen, die Proteste oder Demonstrationen erwarten lassen, versuchen Regierungen wie im Iran oder Birma mit technischen Störoffensiven die Verbreitung von Informationen über das Internet zusätzlich zu erschweren. So drosseln die Behörden beispielsweise die Geschwindigkeiten der Internetverbindung.
China besitzt nach wie vor das technologisch am weitesten entwickelte Internetkontrollsystem.
Aber auch in Tunesien sind Filtertechniken auf dem Vormarsch: Die zwölf Internet-Provider des Landes stehen alle direkt oder indirekt unter Kontrolle des Regimes, das Webseiten mit politisch oppositionellen Inhalten oder Kritik von Menschenrechtsorganisationen sperren lässt.
In Usbekistan und Saudi-Arabien betreiben die Behörden eine so starke Filterung von Online-Inhalten, dass Selbstzensur gewöhnliche Praxis unter Usern ist.
Aber auch im Iran ist die technische Überwachung seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Juni 2009 ausgebaut worden.
Neben den zwölf „Feinden des Internets“ stellt ROG in dem Bericht wieder eine Reihe von Staaten „unter Beobachtung“. Es handelt sich um Länder, in denen Maßnahmen ergriffen worden sind, die leicht zu einschneidenden Zensurmaßnahmen missbraucht werden könnten. In diese Gruppe fallen erstmals Russland und die Türkei. In der Russischen Föderation zählt das Internet im Vergleich zu den konventionellen Medien immer noch zu den freiesten Mitteln der Verbreitung von unabhängigen Nachrichten und bietet den größten Raum für kontroverse Diskussionen. Es bestehen allerdings Anzeichen, dass die russische Regierung die Internetfreiheit zunehmend beschneiden wird.
So wurden im vergangenen Jahr zum Beispiel mehrere Blogger festgenommen und unabhängige Websites wegen angeblich „extremistischer Inhalte“ gesperrt. In der Türkei wurden mehrere tausend Seiten gesperrt, weil sie unabhängige Kommentare und Berichte zu Tabu-Themen wie Rechte von Minderheiten wie Kurden und Armenier, Kritik an der Armee, hämische oder witzige Darstellungen von Mustafa Kemal Atatürk enthielten. Die Blogger und Autoren müssen eine juristische Verfolgung befürchten.
In die Kategorie der elf Staaten „unter Beobachtung“ fällt in diesem Jahr auch wieder Australien. Die Regierung kündigte im Dezember 2009 ein neues Gesetz an, das weitere Filterungen des Internets zur Folge haben würde.
Im Jahr 2009 haben insgesamt rund 60 Staaten Internetzensur ausgeübt. Noch nie zuvor hat ROG eine so hohe Zahl von inhaftierten Bloggern, Internetnutzern und -dissidenten dokumentiert: Derzeit sind fast 120 von ihnen im Gefängnis, im vergangenen Jahr waren es zur gleichen Zeit rund 70. Die meisten Internetnutzer sind in China inhaftiert (72), gefolgt von Vietnam (17) und dem Iran (12).
Lesen Sie hier den vollständigen 62-seitigen Bericht „Feinde des Internets“ (auf Englisch):
http://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/rte/docs/2010/Feinde_des_Internets.pdfLaden Sie hier das Online-Banner zum „Welttag gegen Internetzensur“ herunter:http://www.reporter-ohne-grenzen.de/internet-freedom-day/welttag-gegen-internetzensur.htmlPressekontakt:Reporter ohne Grenzen
Anja Viohl
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