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Deutschland Gesellschaft Pressemitteilung
Rechtsextremismus hinter Gittern zurückgedrängt
Nicht mehr wie vor 10 Jahren
Strukturen und Subkulturen in den Vollzugsanstalten
Redaktion: Justizministerium des Landes Brandenburg
Eingestellt am  28.03.2010 Aktualitätsende 04.04.2010
Dieser Beitrag kann im vollem Umfang kostenlos und frei genutzt werden, wenn www.german-circle.de als Quelle genannt wird.
Potsdam/gc/pm. Die Zahl der Strafverfahren wegen rechtsextremer Gewalt gegen Menschen hat in Brandenburg 2009 den niedrigsten Stand seit mehr als zehn Jahren erreicht.

Lediglich 21 derartige Verfahren haben die Staatsanwaltschaften im vergangenen Jahr geführt. 1998 und 2000, in den Hochzeiten rechtsextremer Gewalt, waren es jeweils 62 Verfahren.

Justizminister Dr. Volkmar Schöneburg: „Auch die schweren Wahlniederlagen der rechtsextremen Parteien haben 2009 insgesamt zu einem guten Jahr im Kampf gegen den braunen Spuk gemacht. Das ist ein Erfolg couragierter Bürger und Bündnisse sowie engagierter Polizeibeamter und Staatsanwälte. Die aktuelle Eskalation rechtsextremer Gewalt in Zossen zeigt jedoch, dass wir in der Auseinandersetzung gegen Rechtsextremismus nicht müde und kraftlos werden dürfen.“

In den Gefängnissen des Landes ist ein ähnlicher Fortschritt wie in der Zivilgesellschaft erkennbar. Schöneburg: „Ausgeprägte rechtsextreme Strukturen und Subkulturen wie vor zehn Jahren gibt es in den Anstalten nicht mehr. Die pädagogische Arbeit mit rechtsextrem orientierten jungen Männern hinter Gittern hat sich bewährt. Rassistische Gewalt ist sicherlich besonders perfide. Aber wir dürfen auch rechtsextreme Täter nicht einfach aufgeben.“

Schöneburg: „Wir müssen alles versuchen, damit diese jungen Männer in die Gesellschaft zurückfinden. Wenn ein junger Mensch meint, er müsse sich rechtsextrem aufführen, sollten wir uns immer auch selbstkritisch fragen: Was haben wir falsch gemacht?“

Indoktrinationen oder sonstige nennenswerte Aktivitäten rechtsextrem verfestigter junger Gefangener sind nach Auskunft der Anstaltsmitarbeiter derzeit nicht feststellbar.

Beispielhaft zeigt sich dies am Holocaust-Leugner und früheren NPD-Aktivisten Horst Mahler, der in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verbüßt. Nichts deutet derzeit darauf hin, dass die ehemalige Kultfigur der Ewiggestrigen eine Leitfunktion für rechtsextreme Gefangene hätte.

Ein völlig anderes Bild ergab sich vor zehn Jahren bei der bisher einzigen Erhebung der rechtsextremen Szene in Brandenburger Gefängnissen. 25 bis 30 Prozent der Inhaftierten im Jugendstrafvollzug wurden um das Jahr 2000 dem rechtsextremen Umfeld zugeordnet.

Neben rechtsextremistisch motivierten Straftaten dokumentierte sich die ideologische Einstellung der Inhaftierten über Tätowierungen, fremdenfeindliche Äußerungen und durch Versuche, Kontakte zu rechtsextremen Organisationen zu knüpfen oder aufrechtzuerhalten.

Nicht alle dieser jungen Männer waren Gewalttäter. Bei vielen handelte es sich vielmehr um Mitläufer der rechten Szene, die noch über kein geschlossenes rechtsextremes Weltbild verfügten. Doch gerade bei diesen Menschen bestand die Gefahr, dass sie als Mitläufer in die Gefängnisse hineingehen und als überzeugte Neonationalsozialisten und Fremdenhasser entlassen werden.

Mit pädagogischen Projekten und gesteigertem Problembewusstsein wurde seither verhindert, dass Gefängnisse dauerhaft zu Rekrutierungsanstalten der rechtsextremen Szene werden konnten. Vollzugsmitarbeiter wurden geschult, mit rechtsextremen Gefangenen umzugehen und rechtsradikale Symbole oder Publikationen zu erkennen. Der Besitz verbotener Gegenständen, die Fremdenhass, Antisemitismus und Rechtsextremismus zum Ausdruck bringen, kann seither besser eingedämmt werden.

Den Anfang bei der pädagogischen Auseinandersetzung mit rechtsextremen Gefangenen machte 2001 das bundesweite Pilotprojekt „Abschied von Hass und Gewalt“. Dessen Ziel war es, rechte Mitläufer auf den Boden der Toleranz zurückzuführen und von verbohrten Neonationalsozialisten zu isolieren.

Das von der Bundes- sowie der brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung und der Brandenburger Justiz geförderte Projekt wurde 2004 um einen wichtigen Aspekt erweitert. Ehemals rechtsextreme junge Gewalttäter können auch nach der Haftentlassung Rat bei den pädagogischen Projekttrainern suchen.

Außerdem können die Ex-Gefangenen bei regelmäßigen Treffen ihre Erfahrungen austauschen und so Krisensituationen besser bestehen. Es gibt zwar keine Rückfall-Statistik, aber wissenschaftliche Beobachtungen zeigten deutlich, dass sich infolge des Projektes das Verhalten der jungen Gefangenen erheblich gebessert hat.

Den Erfolg haben auch andere Bundesländer erkannt. Seit 2007 haben mehrere Länder das Brandenburger Modellprojekt übernommen, das in den Haftanstalten Wriezen und Cottbus praktiziert wird.

Das zweite Projekt, das sich in den Haftanstalten des Landes auf die Arbeit mit rechtsextremen jungen Männern konzentriert, wird in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel ehrenamtlich vom Mitarbeiter des Blauen Kreuzes, Jürgen Schönnagel, betrieben. Aus der Wohngruppe „Suchtfrei leben“, in der seit 1990 zahlreiche junge Gefangene für ein Leben ohne Alkohol und Rauschgift begeistert werden, ging vor einigen Jahren das Projekt „Was ist deutsch?“ hervor.

Gemeinsam mit dem Vollzugslehrer für politische Bildung in der JVA Brandenburg, Burghard Neumann, förderte Schönnagel bei rechtsextremen jungen Gewalttätern die kritische Reflexion über Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus. In zahlreichen Fällen führte dies dazu, dass sich die jungen Leute heute von menschenverachtenden Ideologien distanzieren.

Unterstützt wurde diese persönliche Reife durch Vorträge, die etliche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der Wohngruppe hielten, darunter waren Landtagspräsident Gunter Fritsch, Generalstaatsanwalt Dr. Erardo Rautenberg sowie Brandenburgs erster Justizminister, Hans Otto Bräutigam.

Seit 1998 führt Generalstaatsanwalt Dr. Erardo Rautenberg eine Gewalttatenliste. Sie ist eine Übersicht über rechtsextremistische, fremdenfeindliche, antisemitische Gewalttaten zum Nachteil von Personen auf der Grundlage der Berichte der vier Leitenden Oberstaatsanwälte aus Cottbus, Frankfurt (Oder), Neuruppin und Potsdam.

Rautenberg: „An der Häufigkeit dieser schwersten Gewalttaten lässt sich das Potential der bestehenden Gefahr besonders gut erkennen.“

Danach ergibt sich für die pro Jahr neu geführten staatsanwaltlichen Verfahren folgende Entwicklung:

1998: 62
1999: 54
2000: 62
2001: 44
2002: 40
2003: 43
2004: 43
2005: 37
2006: 32
2007: 24
2008: 22
2009: 21

Einen Einblick in die Arbeit der „Wohngruppe Schönnagel“ bietet das Buch „Abkehr von rechtsextremistischer motivierter Gewalt - Einsichten von Strafgefangenen“. Das Buch, das jüngst in zweiter Auflage erschien, enthält Interviews mit jungen Straftätern, die wegen rechtsextremer Gewalttaten verurteilt worden waren.

Das von der Arbeiterwohlfahrt Landesverband Brandenburg e.V. herausgegebene Buch ist kostenlos zu beziehen über die im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport angesiedelte Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“, Heinrich-Mann-Allee 107, 14473 Potsdam.

Im Internet kostenlos abrufbar ist das Buch als PDF-Datei unter der Adresse  http://www.clear-canvas.com/buch-schauka.htm

Kontakt:
Petra Bordasch
Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Ministerium der Justiz
des Landes Brandenburg
Tel.: 0331-8 66 30 27
Fax: 0331-8 66 30 83
presse@mdj.brandenburg.de
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